Bayerische Atomlobby forciert HTR-Programm

Bayerische Atomindustrie will in Hochtemperaturreaktor-Technologie einsteigen / Jülicher Versuchsreaktor soll „Vorzeigereaktor“ für Export werden / Grüner Antrag zum Ausstieg abgeschmettert / Skepsis gegenüber dem Ausstiegskurs des Münchener OB Kronawitter  ■  Aus München Luitgard Koch

Die beiden großen bayerischen Stromversorger und Betreiber von Atomkraftwerken, Bayernwerk und Isar-Amperwerke, sind offenbar entschlossen, die Reste des einst ehrgeizigen Hochtemperaturreaktor-Programms zu retten. Über ein kompliziertes Geflecht von Firmenbeteiligungen wollen sie beim Versuchsreaktor AVR in Jülich einsteigen. Bislang ist der Jülicher „Schrottreaktor“, der eigentlich stillgelegt werden soll, noch im Besitz kommunaler Unternehmen. Da diese ihre Anteile bis auf einen symbolischen Wert von einer Mark abgeschrieben haben, bietet sich für die Atomlobby die Chance, kostengünstig den einzig noch laufenden HTR zu bekommen. „Man muß befürchten, daß der Stillegungsantrag der AVR-Betreiber zurückgezogen wird, wenn der Reaktor erst im Besitz der Atomwirtschaft ist“, so der grüne Landtagsabgeordneter und Chemieprofessor Armin Weiß. Hintergrund für dieses Engagement der Atomlobby seien offensichtlich Exportinteressen. Der Versuchsrekator soll zum „Vorzeigereaktor“ für das Exportgeschäft werden, vermutet der grüne Landtagsabgeordnete. Auch die Münchener Stadtwerke sind seit 1958 am Jülicher Versuchsreaktor beteiligt. Die Firma EVG (Energieverwaltungsgesellschaft) mit Sitz in München zeigt jetzt Interesse an den AVR -Anteilen der Stadtwerke. Hinter der EVG jedoch verbergen sich die Tochtergesellschaft Contigas der Bayernwerke und die Muttergesellschaften RWE und Allianz der Isar-Amper -Werke. Um diesen Deal zu verhindern, stellte die Rathausfraktion der Münchener Grünen den Dringlichkeitsantrag, die Anteile nicht zu verkaufen, sondern dafür zu verwenden, den Reaktor stillzulegen. Mit Stimmen der SPD und FDP wurde dieser im Feriensenat gestellte Antrag an den Werkausschuß verwiesen. Während im Feriensenat eine rot-grüne Mehrheit den Deal hätte stoppen können, hat im Werkausschuß die CSU die Mehrheit. Der Antrag wurde demzufolge abgeschmettert.

Die Grünen halten aus diesem Grund auch nicht allzuviel vom Anti-Atom-Engagement des Münchener SPD-Oberbürgermeisters Georg Kronawitter. Kronawitter machte sich danach öffentlich für einen Ausstieg aus der neuen Kernkraftsgeneration der Hochtemperaturreaktoren stark. Den Münchener Stadtwerken teilte er mit, daß die Stadt kein Interesse an weiteren Versuchen in Jülich habe. Eine Hintertür ließ er sich aber auch dabei offen. Der Stadt MÜnchen dürften aus diesem Vorstoß keine finanziellen Nachteile erwachsen. In den letzten Versuch mit dem Reaktor wurden nämlich zwei Millionen gebuttert. Sollte jetzt ein Gesellschafter verlangen, daß der letzte Test nicht stattfindet, könnte er dafür eventuell regreßpflichtig gemacht werden. Dieses Argument lieferte Kronawitter der Technikchef der Stadtwerke, Hans Krauß.