Des Kanzlers neuer Sekretär in der Parteizentrale

Volker Rühe gilt uneingeschränkt als Mann Kohls / Weder rechts noch links / Gegen die doppelte Null-Lösung  ■ P O R T R A I T

Aus Bonn Ferdos Forudastan

Des Kanzlers Freude war unübersichtlich. „Mein Kandidat ist Volker Rühe“, hatte er den gespannt wartenden Journalisten hingeworfen. Und so kläglich sein öffentlicher Abschied von Heiner Geißler insgesamt auch war: im zukünftigen Generalsekretär Rühe sah er einen äußerst gelungenen Coup, werde doch jetzt das Urteil, die Entscheidung gegen Geißler sei eine „Positionsveränderung“, einfach in sich zusammenfallen.

In der Tat: der Rausschmiß des als links geltenden Geißler war das Signal an die „Republikaner“. Die Anstellung Rühes weist lediglich noch einmal darauf hin. Rühe ist weder „rechts“ noch links“, weder „Reformer“ noch „Betonkopf“, in seinen Positionen weder „junge Garde“ noch „alte Riege“. Er ist von allem ein bißchen. Und er gilt als Kohl-Getreuer.

Genscherist, so hatte die SPD Rühe einst genannt. Diese Bezeichnung hielt sich, galt Volker Rühe, wie einige andere junge Unionisten, doch als außenpolitisch recht aufgeschlossen, in der Ostpolitik sogar ausgesprochen liberal. Anfang 1985 gar setzte er sich von der offiziellen Linie der Bundesregierung ab: Da behauptete Rühe, ungeachtet einer ausstehenden engültigen Festlegung der polnischen Westgrenze in einem Friedensvertrag entfalteten die von Willy Brandt geschlossenen Ostverträge eine „politische Bindungswirkung“. Es folgten Aufschreie von CDU-Politikern wie Czaja, Hupka und Abelein, die Rühe schon „auf der Linie Egon Bahrs“ sahen.

Um sich des „Genscheristen“, des „vergifteten Lobs der SPD“, wie Rühe es selbst bezeichnet hatte, zu entledigen, wandte dieser aber auch erhebliche Kraft auf. Gegen den Abzug von Raketen aus der Bundesrepublik kämpfte er regelrecht. „Mit mir nicht“, hatte der Hamburger Bundestagsabgeordnete zur doppelten Null-Lösung im Bundestag ausgerufen. Auch stritt er für die deutsche Beteiligung am Weltraumrüstungsprojekt SDI.

Die doppelte Null-Lösung beschloß Kohl dennoch gegen seinen außenpolitischen Berater Rühe. Um den „liberalen Falken“, wie ihn die 'Frankfurter Rundschau‘ nennt, wurde es still. Die Entwicklung in Osteuropa, die Polen-Politik der Regierung, das neu sich formierende Verhältnis zu Sowjetunion und USA - mit Äußerungen zu alledem fiel der Spezialist fürs Außenpolitische nicht mehr auf. Und er blieb einer von denen, deren Name lediglich Nahrung für Spekulationen um neu zu besetzende Ämter bleibt.

Anwärter für die Hardthöhe war er nach Manfred Wörners Weggang, Staatsminister im Auswärtigen Amt sollte er mal werden. Im letzten Jahr kämpfte er gegen Fraktionschef Alfred Dregger, da dieser die Fraktion gegenüber der Regierung nicht selbstbewußt genug vertrete. Dregger blieb in seinem Amt.

Eine Parteikarriere, die recht vielversprechend begonnen hatte, schien an ihrem Endpunkt angelangt: Der 46jährige Oberstudienrat aus Hamburg war in der Jungen Union gewesen, mit 28 Jahren bereits Abgeordneter in der Hamburger Bürgerschaft, ab 1976 hatte er ein Bundestagsmandat, wo er sich sehr schnell erst als Bildungsexperte und dann als Spezialist fürs Außenpolitische profilierte.

Vor sieben Jahren siegte er in einer Kampfabstimmung gegen Manfred Abelein und wurde stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Für weitreichende Perspektiven und zündende Einfälle stand der Mann mit dem glatten Gesicht und den kühlen Augen allerdings auch in seinen besseren Zeiten nicht. „Pragmatiker“, „Mann der Mitte“, „ruhig, kenntnisreich und zurückhaltend“ - diese Attribute werden Rühe nicht erst in letzter Zeit zugeschrieben.

Gerade die Profillosigkeit Volker Rühes ist nun - neben dem Personalnotstand in der Union - Grund für seine Kür zum künftigen Generalsekretär. Mit Rühe hat Kohl in der Partei wieder allein das Sagen. Die Partei als Kanzlerwahlverein dagegen hat Heiner Geißler gekämpft, dafür, daß dies so bleibt, ist Volker Rühe ein Garant.

Volker Rühe hat zuweilen zwar auch gegen Kohl aufgemuckt. Den allzu schwachen Einfluß der Fraktion aufs Kanzleramt monierte er stets so ausdrücklich, daß der Parteivorsitzende ihn „unbequem“ nannte. Gefählich wird Rühe seinem Förderer Kohl nicht werden - wird er doch sogar in der knappen Biographie des „Munzinger-Personen-Archivs“ als „Mann Kohls“ bezeichnet.