Die endliche Gier des Flächenfraßes

■ Umweltsenatorin Lemke-Schulte stellte „Konzept zur Verminderung der Bodenversiegelung“ der Öffentlichkeit vor

Daß ganz Bremen einst eine grüne Wiese werde, das steht nicht zu befürchten. Das möchte sie auch gar nicht, bekennt die Umweltsenatorin bei der Vorstellung des Konzeptes zur „Verminderung der Bodenversiegelung“. Wer aber glaubt, zukünftig werde der Welt des Asphalts und Betons Stück für Stück etwas Natur abgetrotzt, Stadt renaturalisiert, der irrt auch. Jährlich wird eine Fläche von 100 Hektar, die Größe des halben Bürgerparks, versiegelt. Ein enormer Flächenfraß, dem die Umweltbehörde nun mit einem Bündel von Maßnahmen zu Leibe rücken möchte. Ihr bescheidener Traum: den jährlichen Zuwachs von 100 auf 90 Hektar zu reduzieren. Und selbst das scheint trotz aller besten Absichten ein beschwerlicher Weg.

Dabei gibt es Gegenden in Bremen, die durch Gebäude, Straßen und Beläge zu 90 bis 95 Prozent „dicht“ sind. Altstadt, Neustadt und Vegesack zählen dazu. Die negativen Auswirkungen auf den Wasserhaushalt, auf die diversen Funktionen des Bodens, auf die Verringerung des Vegetations

bestandes sind hinlänglich bekannt. Die ökologischen Veränderungen durch den hohen Versiegelungsgrad betreffen aber

auch Stadtklima wie Stadtgestalt. Gründe genug also, dem Grünen im Grauen mehr Geltung zu verschaffen. Doch Verkehrs -,

Wohnungs- und Wirtschafts politik fordern ein solches Maß an verdichteten Räumen, daß der „stadtökologische Handlungs

rahmen“ (Lemke-Schulte) zur Kosmetik zu werden droht.

Bestimmte Flächen, so die Umweltsenatorin, sollen per Auflage von jeglicher Bebauung freigehalten werden. (da fangen wir doch beim Hollerland an. d.Säzz.) Das rechtliche Instrumentarium ließe es auch zu, den Versiegelungsgrad auf Grundstücken zu beschränken. Nur noch 30 Prozent der vorhandenen Fläche dürfte dann bebaut werden. Bei der Neuansiedlung von Gewerbe sollten die Unternehmen in Zukunft begründen, warum sie wieviel Fläche betonieren wollen. Mit kompensatorischen Maßnahmen wie der Dach- oder Fassadenbegrünung wäre ein Ausgleich für notwendige Versiegelungen zu schaffen. Dafür auch gibt es einen Geldtopf von insgesamt 30.000 Mark, aus dem private Anträge finanziell unterstützt werden.

Die MacherInnen des Konzeptes sehen vor allem im Rückbau von Straßen und der Umwandlung von Schulhöfen ganz praktische Möglichkeiten, ökologische Zeichen zu setzen.

Über ein Drittel der Siedlungsfläche in der Bundesrepublik sind Verkehrsfläche, der Flächenverbrauch pro Person und PKW ist mit 100 qm immens hoch. Eine flächendeckende Einführung von Tempo 30 könnte nach Ansicht der Umweltbehörde zu einem erheblichen Rückbau von Straßen führen. Die Fahrbahnbreite ließe sich von jetzt 6,50 Meter auf dann 3,80 Meter verringern. Mehr Vegetationsflächen auf Schulhöfen, mehr Sand und Grün zum Spielen und Toben - das gehört auch zum Entsiegelungsprogramm. In manchen Stadtteilen sind diese Außenbereiche der Schulen die einzigen zusammenhängenden Frei- lächen.

Frau Lemke-Schulte versicherte, daß ihr „keine bundesdeutsche Stadt bekannt sei, die diese Aufgabe in ähnlich gründlicher Weise aufgreife“. Bei einem Etat allerdings von 285.000 Mark, der in Bremen für die Entsiegelung zur Verfügung steht, fehlt der rechte Glaube an die hiesige Gründlichkeit.

Andreas Hoetzel