SPEND A DIME FOR A DYING QUEEN

■ Nach zehn Jahren wieder in Berlin: Die „Hot Peaches“, schwul-lesbische Theatergruppe aus New York

Ordentlich vollgepackt war der Wochenterminplan für einen aufrechten Schwulen 1972 in New York: montags black lib, dienstags women's lib zur Vorbereitung der Demo am Donnerstag, am Mittwoch sind die Kommunisten dran, Freitag geht's zu gay lib, und samstags kümmert man sich um indian lib. Da bleibt nur noch der Sonntag für STAR, den street transvestite activist revolutionary. Befreiung war angesagt, schließlich gibt es keine „freedom without liberation“, „what a wonderful concept“. Natürlich auch auf der Bühne. 1972 war das Gründungsjahr der ersten schwul-lesbischen Theatergruppe, den „Hot Peaches“ aus New York.

Zehn Jahre nach ihrem letzten Auftritt in Europa (zuletzt im Juni 1979 mit dem Stück Oscar im Kant-Kino) war die Legende am Mittwoch abend wieder im Tempodrom zu sehen. Nostalgie war angesagt, und warme Erinnerungen kamen vielen Berliner AktivistInnen von einst im Publikum hoch, als die heißen Pfirsiche in einer schnellen Revue die Hits ihrer Geschichte präsentierten: „Let your Ying and Yang hang out“, „It's getting tighter“, „Pink cup cakes“ und andere. International Chrisis, die Romy-Haag-Doublette der Truppe, ging in ihrer Erinnerung noch weiter zurück, ins „Stonewall“ von 1969, und ließ noch einmal die Transvestiten aufleben, die sich damals militant den Polizeiüberfällen widersetzten und damit die Lesben- und Schwulenbewegung in Gang setzten. Die Bullen von damals hatten zwei entscheidende Fehler begangen: Sie hatten den Tunten die Fummel zerrissen und ihnen ins ordentlich geschminkte Gesicht gegriffen. Und das sollte man nie versuchen, never.

Nach dem großen Aufbruch tourten die „Hot Peaches“ durch die westliche Welt und initiierten mit ihrer Bühnenpower auch die Gründung der diversen ersten schwulen Theatergruppen in Deutschland. In den USA ging es derweil ruhiger zu, die erste Befreiung war geschafft, die Schwulen etablierten sich - und langweilten sich am Wochenende am Schwulenstrand von Fire Island, bei „champaign, cocaine and romaine“. Doch die Pfirsiche blieben wach, hielten sich mit „Middle of the Road„-Musik über Wasser und suchten schließlich ihre Antwort auf die „Aids-Crisis“: Concentrated Camp heißt ihr neues Stück, geschrieben von Jimmy Camicia, dem Chef und Mitbegründer der Truppe. Erzählt wird in der Musical Comedy Satire, wie im Zuge einer Säuberungsaktion, die im Namen der öffentlichen Gesundheit gewisse „unerwünschte Elemente“ von der Straße zu holen versucht, die Peaches verfolgt und gefangengenommen werden. Aber natürlich können die wackeren Tunten entkommen.

Zwiespältig - und dennoch eindeutig im Jubel für die grandiose Stimme von Amy Coleman - war das Gefühl der Nostalgie am ersten Abend im Tempodrom, das Lebensgefühl von einst war sofort wieder da, und sofort die Gewißheit, daß alles schon Erinnerung ist. Mit dem Fummel auf der Straße damals radikaler Akt - lockt man heute nur noch ein paar vergessene Fotografen; Befreiungssprünge von einst lassen sich heute nur noch ausmachen als kleine Schritte auf dem Weg in eine Utopie, die sich längst versteckt hat hinter den beschwerlichen Bemühungen ums simple Überleben.

Elmar Kraushaar

„Hot Peaches“, The Heat, Freitag, 24 Uhr, Concentrated Camp, Samstag, 24 Uhr, Tempodrom, Kleines Zelt