Der Komödienstadel tagt

■ 135 Stunden Fernsehrummel unterm Funkturm / Die Sender locken mit Live-Shows, Stars zum Anfassen und gläsernen Studios

Wenn heute die Internationale Funkausstellung in Berlin ihre Tore öffnet, werden nicht nur die Technofreaks wieder zu Tausenden in die Hallen unterm Funkturm strömen, um „Superlative der Technik“ zu bestaunen. Hochauflösendes Fernsehen, neueste Videotechnik und leistungsstärkste HiFi -Boxen mögen zwar auch Interesse wecken, die echten Publikumsmagneten tummeln sich aber wie immer auf den Bühnen der Fernsehanstalten.

ARD und ZDF schicken ihre populärsten Talkmaster, ModeratorInnen und SpaßmacherInnen ins Rennen um Zuschauergunst und Einschaltquoten. Sie sollen 135 Stunden Programm auf mindestens fünf Bühnen geichzeitig füllen, bei dem wir dann endlich wirklich in der ersten Reihe sitzen dürfen (sofern mann oder frau eine der begehrten Karten ergattert hat). Dabei werden wieder alle Höhen und Niederungen deutscher Fernsehunterhaltung ausgelotet. „Big Mac“ Gottschalk und der smarte BR-Dissident Günther Jauch werden fünfmal von jeweils 15.00 bis 17.00 Uhr als die 2 im Zweiten im Sommergarten unter Einsatz von Hubschrauber, Fallschirm und Satellitentechnik Quizspiele mit Prominenten moderieren. Die ARD setzt dagegen auf altbewährte Familienhausmannskost. Jürgen von der Lippe, Entertainer unter Null-Niveau, der schon auf der letzten IFA zusammen mit Sigi Harreis mit der Goldenen Eins für populistische Heiterkeit gesorgt hat, wird diesmal unter dem Motto Eins ist Trumpf seine Gags unters Volk streuen. Unterstützt wird er dabei noch von dem Wiener Klaus Eberhartinger, besser bekannt als Sänger der „Ersten Allgemeinen Verunsicherung“. Auf der Gästeliste des Moderatorentrios befinden sich, wie der Berliner 'tip‘ treffend vermerkte, jede Menge wiederbelebter Show-Grufties wie Chris Howland, Inge Meisel, Drafi Deutscher, Freddy Quinn und Dave Dee.

Den ARD-Eröffnungszirkus Berlin ist Musik darf heute abend ab 20.30 Uhr das dümmlich-naive Plaudertäschchen Desiree Nosbusch moderieren, während Harald Juhnke, Stephan Remmler und Peter Hofmann als Tanzbären in die TV-Manege steigen.

Mittags gibt es täglich abwechselnd von ARD und ZDF Kostproben des neukreierten Mittagsmagazins. Doch ganz so, als trauten sie den vorgesehenen Moderatorenteams noch nicht die nötige Publikumswirkung zu, haben die Sender sich zur IFA-Show noch ein par prominente Gesichter dazugeholt. Das ZDF peppt die heute mittag-Redaktion mit Dieter Kronzuckers Anwesenheit auf. In der ARD-Variante Eins bis Drei gehen mit Margarethe Schreinemakers, die mit dem unsäglichen Frauenmagazin Chicita ihr satirisches Unvermögen bereits hinlänglich bewiesen hat, dem SFB-Gesundbeter Winfried Göpfert und Wolfgang Korruhn vom WDR drei Moderatoren an den Start, die im ARD-Mittagsmagazin ab Oktober gar nicht auftauchen werden. Vielleicht wollte der BR die zukünftige Moderatorin Hannelore Fischer noch ein wenig schonen. Dafür warten die Bayern mit einer zünftigen Live-Produktion auf: Im ICC tagt der Komödienstadel, um uns am letzten IFA-Tag mit Dem braven Sünder zu beglücken.

So große Geschütze können die Privaten dagegen nicht auffahren. Obwohl auch sie die IFA zunehmend wichtig nehmen, müssen sie doch strenger haushalten. Und Live-Produktionen, auch sonst im Programm von RTL oder SAT 1 eher die Ausnahme, sind bekanntlich teuer. Sat 1 macht aus der Not gleich eine Tugend und läßt das Publikum die dummen Witze selber erzählen. In der Witzbox kann „jeder, der sich traut, vor laufender Kamera einen Witz erzählen“. Juror Didi Hallervorden wird dann den Sieger ermitteln.

Das umfangreichste Live-Programm jedoch bietet ausgerechnet der Kanal, der warscheinlich am allerwenigsten gesehen wird, der Offene Kanal nämlich. Auf Initiative des OK-Berlins präsentieren die Bürgersender Deutschlands an einem gemeinsamen Stand in Halle 8.1 sieben Stunden Live-Programm täglich frei nach dem Motto: Fernsehen zum Selbermachen. Das könnte neben all den hochpolierten No-Sense-Shows ein echter Geheimtip werden - (unfreiwillig) komisch ist es bestimmt.

utho