Mazowiecki kann loslegen

■ Solidarnosc-Berater mit 378 Stimmen zum ersten nichtkommunistischen Regierungschef gewählt

Warschau/Paris (afp) - Tadeusz Mazowiecki ist der erste nichtkommunistische Regierungschef in einem osteuropäischen Land seit über 40 Jahren. Gestern wählte ihn das polnische Parlament (Sejm) mit überwältigender Mehrheit zum neuen Ministerpräsidenten des Landes. Der Berater der Solidarnosc erhielt 378 Jastimmen von den 423 anwesenden Parlamentariern. Nur vier Abgeordnete stimmten gegen ihn, 41 enthielten sich. Die Wahl erfolgte per Handzeichen und wurde im Fernsehen direkt übertragen.

Der Sejm setzt sich aus insgesamt 460 Abgeordneten zusammen, von denen 37 nicht anwesend waren. Die neue Regierungskoalition aus dem Bürgerkomitee der Solidarnosc, Vereinigter Bauernpartei und Demokratischer Partei verfügt zusammen über 264 Stimmen. Die 23 katholischen Abgeordneten, die bislang die Kommunisten unterstützten, hatten Mazowiecki ebenfalls ihre Stimmen zugesagt. Von den 173 Kommunisten stimmten damit offenbar 91 für den langjährigen Oppositionspolitiker.

Lech Walesa, hatte die zukünftigen Beziehungen zwischen PVAP und Solidarnosc am Mittwoch vom Stimmverhalten der Kommunisten abhängig gemacht. „Wenn die PVAP-Abgeordneten für Mazowiecki stimmen, wird es der Ministerpräsident zu schätzen wissen“, sagte der Arbeiterführer. „Falls sie jedoch gegen ihn stimmen, lohnt es sich nicht mehr, sie an der Regierung zu beteiligen.“

Aus der Solidarnosc hieß es, daß sie in der Koalitionsregierung nicht das Außenressort beansprucht. Der Solidarnosc-Beauftragte für auswärtige Angelegenheiten, Christoph Sliwinski, sagte: „Polen befindet sich gegewärtig in einer Übergangsphase, in der es undenkbar sei, „mit einem Schlag das gesamte diplomatische Personal auszutauschen“. Solidarnosc sei deshalb nicht am Außenministerium interessiert, werde dagegen aber keinesfalls auf den Posten des Informationsministers verzichten.

Vor seiner Bestätigung durch den Sejm hatte Mazowiecki erklärt, Partnernerschaft müsse an die Stelle des Kampfes treten. Nur so und nicht anders dürfe „der Übergang vom totalitären zum demokratischen System“ vollzogen werden.

Sein Ziel sei es, „eine Koalitionsregierung zu bilden, die eine tiefgreifende Reform des Staates“ durchsetzen kann. Polen könne sich keine ideologischen Experimente mehr leisten. Mazowiecki wiederholte, daß er „zur Marktwirtschaft zurückkehren“, Polen in einen Rechtsstaat verwandeln und das Informationsmonopol aufheben wolle. Er versicherte, daß seine Regierung ihre Verpflichtungen gegenüber dem Warschauer Pakt einhalten werde.