WOHER DER WINK WEST

Wenn denn das Winken als eine dem Menschen wesentlich eignende, mithin alles Geschichtliche sowohl begleitende als auch überschreitende Existenzeinstellung begriffen werden darf, so ist seine jeweilende Einbettung in den doch immerhin sprachlosen historischen Augenblick freilich nicht umstandslos seiner wesentlichen Vielgründigkeit zu entreißen.

Sehen wir einmal von der eher naturwüchsig zufallshaften, da personengebundenen gestischen Ausformung des Winkvorganges im engeren, quasi Gliedmaßen-Sinne ab; von Fragen also wie: Winkt dieser Mensch hier rechts- oder linkshändig, in schneller oder langsamer Auf- und Abbewegung, mit gestrecktem oder gewinkeltem Arm, in lockerer oder geballter Handhaltung, raumgreifend und luftmengenverdrängend oder kurzwellig und schwach(an)triebig? Was - unter Heranziehung einer wohl doch fragwürdigen Anthropomorphisierung mobiler Extremitäten schlußendlich zur unzulässigen Seinsfrage sich kristallisieren könnte: Ist es die Leidenschaft, die den Beweger bewegt oder doch vielmehr die Gemütsarmut?

Erst jenseits solcher freilich doch zutiefst technikverfallenen Phänomenologie eröffnet sich die existenzielle Bedeutung des infragestehenden rhythmischen Handelns.

Winken nämlich west seinem eigentlichen Begriffe nach im gerichteten Dazwischen von Hiersein und Dasein. Gerichtet insofern, als das Ziel des Wink-Aktes - wofern von Ziel angesichts dieses wahrhaft aporetischen Ereignisses überhaupt die Rede sein darf - niemals im Winkenden selber liegt. Wendet sich doch sein Arm/Hand-Schwenken wollend auf ein Anderswosein. Freilich wird ein unvoreingenommener Winkforscher nichtsdestotrotz kaum in der Lage sein, durch einfaches Betrachten von Winkendem und winkend Gemeintem eindeutige Aussagen darüber zu treffen, ob das Winken als solches schon ein womögliches Fortwollen des hierseienden Winkenden oder nicht vielmehr doch ein klandestin einverständiges Bleiben des Hier-Winkenden einschließt.

Ein schlichter, aber umso erschütternderer Exkurs auf Winkvorgänge in dieser unserer Frontstadt Berlin möge jene dem Winken innewohnende unauslotbare Ambivalenz illustrieren: Wird von hüben nach drüben gewunken, so hat dieser sprachlose Sprechakt kaum mehr als die die formale Identität der gestischen Ausführung mit dem des Winkens von drüben nach hüben gemeinsam!

So spiegelt denn Winken - das sei abschließend gewagt - als handliche Metapher gewissermaßen, die Existenz des Menschen in seiner Zerrissenheit zwischen Immanenz und Transzendenz.

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