Mit Tabletten-Boykott gegen Ozonkiller

Münchner Ärzte empfehlen den Verzicht auf Medikamente der bundesdeutschen FCKW-Produzenten Hoechst AG und Kali-Chemie  ■  Von Hannes Koch

Berlin (taz) - Eine Münchner Ärztegruppe, Greenpeace und der Frankfurter Chemieriese Hoechst sorgen derzeit für zusätzliche Auslastung bei den Briefträgern der Republik. Mit einer flächendeckenden Aktion bei Apotheken und Krankenhäusern wollen die Umweltschützer die beiden bundesdeutschen Hersteller der ozonkillenden Fluorkohlenwasserstoffe (FCKW) - die Frankfurter Hoechst AG und die Kali-Chemie in Hannover - zum sofortigen Produktionsstopp bewegen.

Solange die beiden Konzerne weiter an FCKW verdienen, sollen Ärzte, Krankenhäuser und Apotheken soweit nur irgend möglich auf deren Medikamente verzichten. Nach vielversprechenden Anfangserfolgen der Initiative reagierte Hoechst mit einem nervös-beleidigten Schreiben an alle Apotheken der Republik.

Nach Auskunft des Münchener Arztes Dr. Wolf-Achim Sintenis, der die Kampagne initiierte, haben bereits 100 seiner KollegInnen ihren weitgehenden Verzicht auf Medikamente der beiden Firmen zugesagt. Außerdem wollen die Frauenklinik des Bethesda-Krankenhauses in Essen und eine Abteilung des Landeskrankenhauses Schleswig die Tabletten von Hoechst und der Kali-Chemie nur noch dann verwenden, wenn keine gleichwertigen Mittel anderer Hersteller greifbar sind.

Die beiden Chemie- und Pharmafirmen liefern gegenwärtig mindestens zehn Prozent der Weltproduktion an FCKWs. Damit geht das mit dem Ozonloch wachsende Hautkrebsriskio ganz wesentlich auf ihre Rechnung. Zwar wurden die ozonfressenden FCKWs in Spraydosen mittlerweile erheblich reduziert, doch stößt die Chemie-Industrie weiterhin ungeniert etwa 100.000 Jahrestonnen der gefährlichen Chemikalien aus: Sie dienen unter anderem als Kühlmittel in Kühlschränken, zur Aufschäumung von Kunststoffen und als Lösungsmittel.

Um den Ausstieg aus der FCKW-Produktion zu beschleunigen, haben Greenpeace-Kontaktgruppen 70 bis 80 Prozent aller bundesdeutschen Apotheken mit der Forderung abgeklappert, Hoechst und Kali-Chemie soweit wie möglich aus dem Sortiment zu nehmen. In Hannover etwa wurden 184 Apotheken besucht, wobei die Umweltaktivisten nach eigenen Angaben durchaus positive Reaktionen verzeichnen konnten. Den empfindlichen Geldnerv der Chemie-Konzerne trifft jedoch am ehesten ein Medikamentenverzicht der ÄrztInnen und Krankenhäuser.

In einer flächendeckenden Aktion hat Greenpeace 1.160 Krankenhäuser angeschrieben, worauf sich sofort die Frauenklinik des Bethesda-Krankenhauses in Essen dem weitgehenden Medikamenten-Verzicht anschloß. Gegenüber der taz erklärte der leitende Arzt der Frauenklinik, Horst Pomp, die Haltung seines Hauses: „Hoechst und Kali-Chemie geben vor, sich der Gesundheit der Menschen verschrieben zu haben, doch stellen sie nachweislich die Lebensbedingungen auf diesem Planeten in Frage. Das Image der Konzerne wird leiden. Sie müssen sich überlegen, ob sie für die Gesundheit oder die Krankheit der Menschen eintreten.“

Für Hoechst und Kali kann der Verlust schnell in die Millionen gehen. Greenpeace rechnet mit einer Einbuße von 30.000 Mark pro Arzt und Jahr. Das macht angesichts der die Kampagne bisher unterstützenden Ärzte schon drei Millionen ohne die Krankenhäuser.

Bei Frankfurt Hoechst und bei Kali-Chemie herrscht angesichts der notorischen Nörgelei der UmweltschützerInnen nacktes Unverständnis. „Auch Hoechst setzt sich für den Schutz der Ozonschicht ein“, mault „Hoechst Pharma Deutschland“ in dem Rechtfertigungsschreiben an alle Apotheken der Republik.

Ansonsten bekräftigt der Konzern erneut seine Absicht, keineswegs vor 1995 vollständig auf die Produktion der Ozonkiller verzichten zu wollen. Danach soll's mit „entschärften“, sogenannten teilhalogenisierten FCKWs weitergehen. Die jedoch knabbern ebenfalls an der Ozonschicht.