Ramstein ein Jahr danach

■ Opfer und Hinterbliebene kämpfen um Entschädigungen / Gab es noch mehr Todesopfer?

Ramstein/Frankfurt (taz) - Am kommenden Montag jährt sich der Tag, an dem drei Düsenjäger der italienischen Kunstflugstaffel frecce tricolore vor mehr als hunderttausend Zuschauern auf die Rollbahn der US-Air-base in Ramstein stürzten und ein flammendes Inferno auslösten. Die Katastrophe in Ramstein kostete - nach offiziellen Angaben - bislang 70 Menschen das Leben. Und mehr als hundert Personen wurden durch Brandverletzungen für immer entstellt.

Gegenüber der taz hat gestern der Leiter der psychosomatischen Abteilung der städtischen Kliniken Kaiserslautern, Dr. Hartmut Jatzko, den Verdacht geäußert, daß es am Absturztag und in den folgenden Wochen weit mehr Tote gegeben haben müsse als die Opferstatistik ausweist. Jatzko gelangte nach Gesprächen mit Betroffenen und nach dem Sichten diverser Videofilme zu der Auffassung, daß insbesondere unter den Amerikanern die Todesrate höher sein müßte. Offiziell hatte die Air Force die Zahl ihrer Toten mit vier angegeben. Jatzko: „Wir hatten über vierhundert Verletzte - Deutsche und Amerikaner. Von den Deutschen sind in den Tagen nach Ramstein noch 30 Menschen gestorben, von den Amerikanern dagegen angeblich keiner mehr. Das scheint mir doch angesichts der Verletzungen sehr unwahrscheinlich zu sein.“ Auch in Ramstein selbst hält sich seit Monaten hartnäckig das Gerücht, daß in dem Schaumteppich, den US -amerikanische Soldaten kurz nach dem Absturz legten, vor allem verletzte US-Soldaten umgekommen seien.

Die deutschen Hinterbliebenen und Opfer, denen von den verantwortlichen Politikern „rasche und unbürokratische Hilfe“ zugesagt worden war, müssen inzwischen um Entschädigungen kämpfen. Und auch die Friedensbewegung auf dem Flugzeugträger Pfalz muß sich wieder gegen heftigste Angriffe derjenigen wehren, die mit der Genehmigung des Flugtags 88 in Ramstein die Mitverantwortung für die Katastrophe tragen. Wie vor dem Desaster greifen CDU -Politiker aus der Region in die Mottenkiste des kalten Kriegs und diffamieren diejenigen, die für eine „Friedensstruktur“ für die Pfalz eintreten.

kpk

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