Baltikum-betr.: "Eine lettische Familie im Schatten des Pakts zwischen Hiter und Stalin", "Die Protestnote wird zurückgewiesen", taz vom 23.8.89

betr.: „Eine lettische Familie im Schatten des Pakts zwischen Hitler und Stalin“, „Die Protestnote wird zurückgewiesen“,

taz vom 23.8.89

Leute wie Rozitis, der die herrschende Schicht in den baltischen Staaten bestens repräsentiert, sind möglicherweise nicht ganz die richtigen Kronzeugen gegen die Sowjtunion, weil ihr Geld und Einfluß, verbunden mit der Gewalt der von deutschen Freikorps unterstützten „Freiheitskämpfer“ seinerzeit (1918 pp) die Revolution in ihren Ländern abgewürgt haben. Das alles ist in vielen weisen Büchern nachzulesen, selbst in denen, die das nicht so genau beschreiben wollen. Die Arbeit der Herren in den Acht-Zylinder-Studebakers führte danach in allen baltischen Staaten zum Kollaps dessen, was sich als „demokratische“ Staatsform etabliert hatte. Sie wurde überall von Militärdiktaturen, antikommunistisch, nationalistisch und mehr oder weniger antisemitisch abgelöst. Die Minderheitenrechte gerieten unter Druck und wurden teilweise rückgängig gemacht (wie heute), zum Beispiel in der Abstimmung über eine von der faschistischen VAPSEN-Bewegung initiierten Verfassungsabstimmung in Estland im Oktober 1933. Alle Minderheiten und wesentliche Rechte sind im Zarenreich etabliert worden, weil dort Balten wie andere eh Mischpoke waren.

Betrachtet man die Situation, wie sie sich damals (1939/1940) der Sowjetunion bot, so waren alle ihre Schritte durchaus logisch und als Selbstschutz geboten, es sei denn man hielte es zum Beispiel für erstrebenswert, die Deutschen einen Steinwurf von Leningrad entfernt zu haben, frisch und ausgeruht, versteht sich. Da die Deutschen auf Ziele in der Sowjetunion aus waren, was ja nicht mehr bewiesen werden muß, galt es, den Zugriff zu verhindern. Das hat auch die meisten Antifaschisten bewogen, gegen schwerstes Ungehagen dem Pakt zuzustimmen. Um Herrn Rozitis hat sich damals keiner Sorgen gemacht. Das bleibt im Jahre 1989 der taz vorbehalten.

Wer heute im Baltikum jammert, kann nicht negieren, was die eigenen Herrschenden zur Verunsicherung der Sowjetunion in einer Situation, wo es wirklich fünf Minuten vor zwölf war, liebe Friedensbewegung, beigetragen haben, weil sie eben Dorfpolitik machten, während alle anderen Weltpolitik machten. Was die Sowjetunion trotzdem auf dem Kerbholz hat an Unsäglichem, bleibt unbestritten - nur ist sie eben nicht an allem schuld.

Klaus W.Kowol, Gummersbach 1