Nachholbedarf-betr.: "Kampagne mit Zerrbild", taz vom18.8.89

betr.: „Kampagne mit Zerrbild“, taz 18.8.89

Peinlich berührte es mich, wie Genosse Chefredakteur Klaus -Dieter Heiser (KDH) es den AntikommunistInnen wieder mal leicht gemacht hat, uns als „StellvertreterInnen“ und „Anhängsel“ der SED abzustempeln.

Nachdem KDH in seinem Kommentar durchaus richtig die Umsturzinteressen der Bourgeoisie benannnte und die „Heim ins Reich„-Kampagne als solche bezeichnete, konnte er nicht umhin, die SED weißer als weiß zu waschen. Ist eine flexiblere Haltung als die jetzige Sturheit zu Budapest, Prag und Ost-Berlin tatsächlich nicht möglich? Leider leugnet KDH den tatsächlichen Nachholbedarf an Reformen in der DDR, vor allem stellt er sich nicht die Frage, warum die BürgerInnen auf „die oben“ warten sollen, warum „die unten“ denn nicht einfach machen dürfen, was ihnen im Sozialismus zusteht.

Müssen denn die kritischen Leute immer in die Arme der Kirche getrieben werden? Die Vorgänge um die Zionskirche im letzten Jahr waren ein gefundenes Fressen für die Springerpresse, besser hätte man die DDR nicht ihren Feinden vorführen können. Daß die BürgerInnen drüben das Recht haben sollten, alles und jedes zu lesen, was ihnen in die Finger kommt (gerade auch aus der UdSSR), gehört noch nicht zum Weltbild des Parteivorstands. Das Verbot des Vertriebs von Sputnik hat trotzdem für viel Kritik in der SEW gesorgt, öffentlich nachvollziehbar liegt sie gedruckt vor; KDH nahm sie sich nicht zu Herzen.

Nicht alle Maßnahmen der DDR sind richtig und liegen im Interesse West-Berlins, aber Kritik an unvermeidlichen Fehlern hat es öffentlich nie gegeben. Sollen wir zum kraftmeierischen Gedröhne Honeckers, die Mauer würde noch 100 Jahre bestehen, auch noch „Amen“ sagen? Immerhin sorgte sie mitten in unserem Wahlkampf für Schlagzeilen. Der Mauerbau war eine notwendige Maßnahme und stabilisierte die junge DDR, wie sie auch die Kriegsgefahr minderte. Haben sich aber heute nicht wesentliche Bedingungen geändert, die zum Mauerbau führten? (...)

Stephan Gröne, Berlin 65