Gewerkschaft jubelt über Galgenfrist für Steinkohle

■ Aber Konflikt mit der EG-Kommission über Subventionen vorprogrammiert

Essen (dpa) - Das böse Erwachen ist erst mal noch aufgeschoben - bis zu dem Zeitpunkt, da über die Zukunft der deutschen Steinkohle nicht mehr in Bonn, sondern in Brüssel befunden wird. Jubel darob bei der Gewerkschaft Bergbau und Industrie (IGBE), nachdem die Milliardensubventionen von Bund und Ländern, aber vor allem der Kunden für die Verstromung der teuren Ware aus heimischen Revieren beim Kanzlergespräch Ende vergangener Woche vorerst fortgeschrieben wurden.

Was Bundeskanzler Helmut Kohl und seine zuständigen Minister sowie die Ministerpräsidenten der Bergbauländer Nordrhein-Westfalen und Saarland, Johannes Rau und Oskar Lafontaine, vereinbarten, ist nach Ansicht der IGBE ein „wichtiger Schritt in die richtige Richtung“. Damit seien „wesentliche Grundlagen für ein gemeinsames Handeln geschaffen worden“. Die IGBE begrüßt insbesondere, daß der „Jahrhundertvertrag“ über die subventionierte Verstromung heimischer Steinkohle „bis 1995 gesichert ist, und Klarheit über die abzunehmenden Mengen für diesen Zeitraum besteht“. Dies sei eine wichtige Voraussetzung dafür, daß die Kommission unter Vorsitz des früheren NRW-Kultusministers Paul Mikat (CDU), die bis März 1990 Vorschläge für eine Anschlußregelung vorlegen soll, sorgfältig und in Ruhe arbeiten könne. Die IGBE erwarte von dieser Kommission „Ergebnisse, die Perspektiven in allen Absatzbereichen bis über die Jahrhundertwende hinaus aufzeigen“.

Ob indes die faktischen Perspektiven der Gewerkschaft schmecken werden, darf bezweifelt werden. Die langfristige Entwicklung stand bei dem Bonner Gespräch nämlich nicht auf der Tagesordnung. Beschlossen wurde lediglich, daß der Bund bis 1993 jährlich 1,2 Milliarden Mark übernimmt, die ansonsten der Stromverbraucher über eine dann nötige stärkere Erhöhung des Kohlepfennigs hätte tragen müssen. Weitere 450 Millionen soll das Land Nordrhein-Westfalen, 120 bis 170 Millionen das Saarland berappen. Eine stärkere finanzielle Beteiligung der Elektrizitätsunternehmen selbst an dem marktwidrigen Verzicht auf die billigere Importkohle oder gar Öl war nach wie vor ausgeklammert. Da die EG -Kommission nachhaltig den Abbau staatlicher Subventionen verlangt, wäre dies im Grunde die einzige Möglichkeit, den Verbrauch bundesdeutscher Kohle und somit den Revier-Bergbau langfristig zu retten. Die Unternehmen sind erwartungsgemäß nicht zu größeren Zugeständnissen bereit. Auch die Verpflichtung zur Abnahme bestimmter Mengen deutscher Kohle paßt ihnen nicht, ob sie subventioniert ist oder nicht. Hierbei hatte man sich in Bonn geeinigt, die jetzigen 41 Millionen Tonnen pro Jahr fortzuschreiben, die eigentlich unter der Menge liegen, die im „Jahrhundertvertrag“ festgelegt worden war (45 Millionen Tonnen). Rau hatte die Marge akzeptiert, sein saarländischer Kollege Lafontaine hat Angst um seine Gruben und pocht auch nach der Bonner Entscheidung auf volle Einhaltung des Jahrhundertvertrages.

Branchenkenner trauen dem Frieden nicht, ihrer Ansicht nach ist der Steinkohlebergbau der Republik noch längst nicht über den Berg. Brüssel fordert einen deutlichen Abbau der Subventionen für die deutsche Steinkohle sogar schon bis Ende 1993, so daß es bereits dann Unstimmigkeiten zwischen Bonn und Brüssel geben dürfte. Insbesondere kommt aber jegliche Anschlußregelung an den bisherigen Jahrhundertvertrag, der 1995 ausläuft, nur mit ausdrücklicher zustimmung der EG-Kommission in Frage.