Kohl bleibt ungestürzt

■ CDU-Reformer gaben klein bei, um vor den Wahlen Geschlossenheit zu demonstrieren

Egal wie viele Stimmen der Chor der unionsinternen Kohl -Kritiker in den letzten Tagen verloren hat: Einen „aufrechten Reformer“, einen „wahren CDU-Linken“, einen treuen Geißler-Freund, der den miesen Rausschmiß des Generalsekretärs rächt, hat die Partei noch: Der Chefkoch des Konrad-Adenauer-Hauses, der Bonner Parteizentrale, setzte gestern „glacierte Schweinerippchen mit Schmorkohl“ auf die Speisekarte seiner Kantine.

Die anderen - Geißler, Blüm, Albrecht, Süssmuth und Späth steckten ihre Tröten, auf denen sie in der letzten Woche noch so heftig geblasen hatten, wieder ein. Das vielbeachtete Häufchen ewig potentieller Revolutionäre in der CDU hat erneut haltgemacht - diesmal angeblich vor den Toren des kommenden Wahljahres, in der die Partei nichts dringender braucht als Geschlossenheit.

Allerdings: Nicht nur die sogenannten Reformer um den geschaßten Generalsekretär Geißler müssen sich erklären. Auch jene linksliberalen Hellseher, die seit Jahren den innerparteilichen Niedergang Kohls herbeizuschreiben versuchen und noch letzte Woche freudig vom offenen Machtkampf in der Union kündeten, brauchen eine Begründung dafür, daß diese Prognose mal wieder nicht gestimmt hat. Da bleiben nur die acht anstehenden Wahlen, darunter die zum Bundestag. Diese Begründung allerdings ist so bequem wie falsch. Und sie verstellt den Blick auf das, was die Union ist und auf absehbare Zeit vermutlich auch bleibt: eine verkrustete Partei, in der noch immer mehr Betonköpfe, hochgekommene Spießer und aalglatte Karrieristen das Sagen haben als ein „Modernisierer“ vom Schlage Geißlers; eine Partei, der die Macht weit über das von den „Reformern“ beschworene „christlich-soziale Menschenbild“ geht; eine Partei schließlich, die im Konkurrenzkampf mit den „Republikanern“ jenen Mitgliedern ein Zeichen geben möchte, denen die Ideen der sogenannten Modernisierer schon immer ein Greuel waren. Da sind die Gleichberechtigung der Frau etwa, der Kampf um Menschenrechte auch in rechten Diktaturen, die rigorose Abgrenzung von den „Republikanern“, das Predigen gegen Ausländerfeindlichlichkeit - eine offenen, streitbare CDU.

Spätestens der gestrige Tag müßte den Wunschtraum vom Sturz des tumben Kohl beenden. Was sich statt dessen erwiesen hat: Der Einfluß der sogenannten Reformer schwindet. Kohl kann Geißler so ungestraft abschieben, wie er schon Rita Süssmuth der Macht enthoben hat. Späth traut sich im letzten Moment nie. Blüm und Albrecht bleiben Opportunisten - und die Reformer eine Episode.

Ferdos Forudastan