Was verhandeln Kaunda und de Klerk wirklich?

Beim Treffen zwischen dem sambischen und dem südafrikanischen Staatschef in Sambia geht's um mehr als nur Sichkennenlernen / Offiziell sind es Gespräche über die Perspektiven Angolas / Kaunda will Südafrika Chance geben / Wächst der Druck auf den ANC?  ■  Aus Livingstone Knut Pedersen

Der angolanische Bürgerkrieg und die Reformaussichten in Südafrika waren gestern Gegenstand eines mehrstündigen Gesprächs zwischen dem sambischen Staatschef Kenneth Kaunda und dem amtierenden südafrikanischen Präsidenten Frederik Willem de Klerk. „Ich will herausfinden, ob de Klerk wirklich bereit ist, Bedingungen für Verhandlungen mit der demokratischen Massenbewegung in Südafrika zu schaffen“, erklärte Kaunda das umstrittene Treffen an den Ufern des Sambesiflusses. Bereits vor 14 Jahren, im August 1975, hatte Kaunda hier den damaligen Premierminister Südafrikas, Johannes Vorster, getroffen. „Kaunda hat mit Vorster gesprochen, dann mit Botha und jetzt mit de Klerk“, ironisierte am Wochenende in der zambischen Hauptstadt Lusaka der ANC-Sprecher Tom Sebina.

Die in Südafrika verbotene Antiapartheidorganisation, deren Hauptquartier seit zwanzig Jahren in Sambia untergebracht ist, wollte das Treffen zwischen Kaunda und de Klerk öffentlich nicht weiter kommentieren. Aber es ist ein offenes Geheimnis, daß der ANC - eine Woche vor weißen Parlamentswahlen in Südafrika - die Gespräche im südsambischen Livingstone für „nicht so günstig“ hält. „Noch bevor de Klerk seine Reformerklärungen irgendwie konkret unter Beweis gestellt hat, verhilft Kaunda ihm zu internationaler Glaubwürdigkeit“, erklärte im privaten Gespräch ein führendes Mitglied des ANC. Die südafrikanische Delegation, zu der auch Außenminister „Pik“ Botha gehört, flog gestern am frühen Morgen mit rund hundert Journalisten in der „touristischen Hauptstadt Sambias“ ein. Südafrikanische Diplomaten ließen keinen Zweifel daran, daß sie „nicht nach Livingstone gekommen sind, um über Apartheid zu reden“. Statt dessen sollte der neuerlich ausgebrochene Bürgerkrieg in Angola Gegenstand einer „klärenden Aussprache“ sein. „Kaunda hat das Abkommen von Gbadolite völlig uminterpretiert und drängt Jonas Savimbi ins politische Abseits“, erklärte ein südafrikanisches Delegationsmitglied. Am 22.Juni war in Gbadolite (Zaire) ein Waffenstillstandsabkommen zwischen der angolanischen Regierung und dem Unita-Rebellenführer Jonas Savimbi ausgehandelt worden. Zwei Monate später ist der - zu keinem Zeitpunkt respektierte - Waffenstillstand erneut zusammengebrochen. Die von Kaunda in ihrer Auslegung des Gbadolite-Abkommens unterstützte angolanische Regierung verlangt die „Eingliederung in die bestehenden staatlichen Institutionen“ der Unita-Rebellen. Savimbi, der Chef der von den USA und Südafrika unterstützten Guerilla, verlangt statt dessen „die Garantie unserer organisatorischen Autonomie“ und „freie Wahlen in Angola“. Er weigert sich im übrigen, „vorübergehend frei willig ins politische Exil zu gehen“.

Diese von der angolanischen Regierung gestellten Bedingungen sind vergangene Woche von den in der simbabwischen Hauptstadt Harare versammelten Staatschefs Süd - und Zentralafrikas als gemeinsamer Vermittlungsvorschlag akzeptiert worden. Worüber ist gestern in Reichweite der von David Livingstone 1855 entdeckten Victoriafälle des Sambesi hinter verschlossenen Türen verhandelt worden? Ist Sambias Staatschef Kaunda, der seit 25 Jahren davon träumt, „Brücken zwischen Schwarzafrika und der weißen Bastion am Kap“ zu bauen, so weit gegangen, de Klerk Druck auf den ANC zu versprechen, sofern er in Südafrika ein glaubwürdiges Reformprogramm ankündigt? Offiziell war davon keine Rede, aber bereits Mitte August hatte Kaunda seinem „Kollegen und Bruder“ de Klerk öffentlich versprochen, daß die Frontstaaten „Südafrika eine Chance geben werden, Apartheid friedlich abzuschaffen, wenn Namibia endlich unabhängig wird“. Die ehemals deutsche Kolonie im Südwesten Afrikas ist damit zum Testfall geworden. Der Druck auf den ANC, eine „friedliche Lösung“ auszuhandeln, könnte noch stärker werden.