Ramstein-Video klagt Nato an

Nato-Sicherheitsbestimmungen wurden in Ramstein klar verletzt / Dokumentarfilm beweist: Sicherheitsabstände für die Zuschauer beim Ramstein-Flugtag 1988 wurden nicht eingehalten  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Der Dokumentarfilmer Sigurd Müller, der nach einjähriger Recherche mit der Videokamera am Sonntag im Kulturzentrum „Kammgarn“ in Kaiserslautern seine Ramstein -Dokumentation erstmals der Öffentlichkeit vorstellte, wirft den Veranstaltern des Ramstein-Flugtages 1988 vor, verbindliche Nato-Sicherheitsvorschriften verletzt zu haben. Müller weist in seinem noch ungeschnittenen Rohfilm nach, daß die nach dem Nato-Standartisierungsabkommen (STANAG 3533) vorgeschriebenen Sicherheitsabstände für die Zuschauer in Ramstein nicht eingehalten wurden. Während STANAG 3533 einen Sicherheitsabstand von „mindestens 230 Metern“ fordert, flogen die Düsenjäger am 28. August des vergangenen Jahres nur im Abstand von 86 Metern an den 300.000 Schaulustigen vorbei, wie ein Sprecher der Polizei auf Nachfrage des Filmemachers erklärte. Darüber hinaus wurde über den Köpfen der Zuschauer in einer Höhe von nur 450 Metern der sogenannte Kurvenflug demonstriert, obgleich STANAG 3533 für den Kurvenflug eine Mindesthöhe von 900 Metern vorschreibt.

Trotz der klaren Verstöße gegen die STANAG-Bestimmungen kam es weder zum Abbruch der Flugshow noch gab es eine Ermahnung des Towers an die Piloten. Hintergrund dieses „bewußt fahrlässigen Verhaltens“ (Müller) sei der Umstand, daß auf der den Zuschauermassen gegenüberliegenden Seite der Rollbahn umfangreiche Munitionsdepots der Air Force untergebracht seien, zu denen gleichfalls ein vorgeschriebener Sicherheitsabstand von mindestens 480 Metern habe eingehalten werden müssen. Müller: „Die Verantwortlichen der US-Air-Force haben das Geschehen also ganz bewußt an die Zuschauer heran verlagert und damit die Katastrophe vorprogrammiert.“

Vor wenigen Monaten hatte die Staatsanwaltschaft in Zweibrücken mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die STANAG -Bestimmungen die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens gegen den damaligen Bundesverteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) abgelehnt. Minister Scholz und auch sein Vorgänger Manfred Wörner (CDU), unter dessen Ägide der Flugtag in Ramstein genehmigt worden war, seien zwar genehmigungspflichtig, aber nicht zwingend prüfungspflichtig gewesen.

Müller ist auch davon überzeugt, daß es nach dem Crash der italienischen Maschinen weit mehr US-amerikanische Tote gegeben habe als die offiziell angegeben vier Opfer. Vor der Videokamera Müllers erklärten mehrere Augenzeugen, daß zumindest zwei Zelte, die von zahlreichen US-Amerikanern bewirtschaftet wurden, von dem Feuerball überrollt worden seien.