Lila Kühe und Milchschokolade

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(Image und Umsatz oder Wie kann man einen Schuh darstellen, Di., 29.8, 23 Uhr, ARD) Das Geschäft der Werbung ist das der Imagination. Das wissen wir. Denn wer kauft schon eine Hose lediglich wegen ihres Gebrauchswertes. Es muß ein Zusatznutzen her, ein Tauschwert, der aus der Hose mehr macht als nur eine doppelte Röhre, mehr als ein wärmendes Beinkleid. Wie dieses Geschäft funktioniert, in dem aus dem Schuh ein werbender und damit verkaufbarer Gegenstand wird auch das wissen wir längst. Trotzdem ist es immer wieder interessant, hinter die Kulissen derjenigen zu schauen, die, wie die Kulturkritiker einmal meinten, die Massen manipulieren und den Kaufrausch anheizen. Dieses Interesse an der Welt der „geheimen Verführer“ mag Pate gestanden haben, als Harun Farocki sich daranmachte, die Produktion eines verkaufsfördernden Zusatznutzens von den Anfängen bis zur Vollendung einmal filmisch zu verfolgen. Auch wenn der diesbezügliche Voyeurismus vom Fernsehen schon des öfteren befriedigt wurde, ist es immer wieder interessant zu erfahren, mit welch ausgeklügelter Systematik die Werbeindustrie Bilder produziert, die unsere Phantasie besetzen.

Leider hat der Berliner Filmemacher nun einen Dokumentarfilm gemacht, der das Spezifische dieses Geschäftes, nämlich die Produktion von Wunschtraumbildern, außen vor läßt. In ellenlangen unkommentierten Filmseqenzen, die vom ersten Gespräch mit dem Kunden bis zur Präsentation reichen, wird zwar die Entstehung einer Anzeigenkampagne nebst Werbemitteln gezeigt, die Faszination dieser Branche, der es gelingt, lila Kühe und Milchschokolade kongenial zu vereinen und die in erheblichem Maße auch von ihrer Selbstinszenierung lebt - sie wird nur angedeutet. Mag sein, daß es gerade die Intention des Autors war, den Entstehungsprozeß von Werbung und Reklame an einem alltäglichen Produkt darzustellen, unspektakulär und schlicht. Interessanter wird es dadurch nicht. Was sollen die unendlich langen Einstellungen, in denen die Werbefuzzis sich etwa über die Termine unterhalten, wenn sie telefonieren oder zigarettenrauchend am Konferenztisch sitzen; desavouierend ist das nicht. Nur wenige Male blitzt das auf, was den kritischen Kunden, der tagtäglich von Werbung belegt wird, interessieren könnte. So etwa, wenn mit instrumenteller Sprache über die „Models“ verhandelt wird, über ihren Preis, ihre Verfügbarkeit und darüber, ob das Gesicht das Zielpublikum auch erreicht.

Nun muß ein Filmbeitrag, der sich kritisch mit der Werbung auseinandersetzt - so mag der Einwand lauten - nicht unbedingt die Mittel einsetzen, die er kritisiert. Recht so, nur muß ein solcher Streifen schon einiges dazu tun, damit der Zuschauer zu nachtschlafender Zeit (23 Uhr) nicht einnickt. Verdichtung und Konzentration sind da schon das Mindeste, was man einsetzen muß, um der Okkupation der Bilder durch die Werbeindustrie entgegenzuarbeiten.

Karl-Heinz Stamm