Berliner SPD verschiebt Ausländerwahlrecht

Nach Nordrhein-Westfalen kriegen nun auch die Berliner Genossen kalte Füße / Alternative Liste wird nach allen Regeln der Kunst über den Tresen gezogen / SPD will eigene Klientel erst überzeugen / Die AL will Unterschriften sammeln und hält Gesetzentwurf zurück  ■  Aus Berlin Andrea Böhm

Nachdem die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen das kommunale Ausländerwahlrecht auf die lange Bank geschoben haben, deutet sich ähnliches in Berlin an. „Kein Abrücken vom Koalitionsbeschluß“, beteuerte der Pressesprecher der Berliner SPD-Fraktion, Yorck Kaempfer. Kurz zuvor war bekanntgeworden, daß die Genossen der Koalitionspartnerin AL das Einverständnis abgerungen hatten, den Gesetzesantrag zum kommunalen Ausländerwahlrecht nicht, wie geplant, gleich nach der Sommerpause im Abgeordnetenhaus einzubringen. Man habe, „wenn auch mürrisch“ - zugestimmt, erklärte AL -Fraktionsgeschäftsführer Jürgen Wachsmuth. Wie lange der Antrag aufgeschoben werden soll, ist noch unklar. Bislang liegt lediglich ein Gesetzentwurf der AL vor.

Das kommunale Wahlrecht für Ausländer, die mindestens fünf Jahre rechtmäßig hier leben, soll „unverzüglich“ eingeführt werden - so hatten es beide Parteien in ihren Koalitionsvereinbarungen festgelegt. Also drängte die AL auf einen Gesetzesantrag noch vor den Ferien, die SPD wollte sich jedoch Zeit lassen. Ein Gespräch zwischen den Fraktionsvorsitzenden schaffte damals Klärung und den 14.9. als Kompromißtermin. Aber die SPD steckt angeblich erst in der Vorbereitung ihrer eigenen Kampagne; an der Basis, so räumen SPD-Politiker ein, müsse noch Überzeugungsarbeit geleistet werden.

Schon während der öffentlichen Debatte über die Weisung des Senats zur Verbesserung der aufenthaltsrechtlichen Situation von Flüchtlingen im Juni hatte die CDU-Opposition angekündigt, das Thema Ausländerpolitik zum Hauptkriegsschauplatz gegen den rot-grünen Senat zu machen. CDU-Oppositionsführer stellte sowohl eine Kampagne als auch einen Mißtrauensantrag gegen Walter Momper in Aussicht, falls SPD und AL im Herbst einen Antrag auf Einführung des kommunalen Ausländerwahlrechts stellen sollten. Die Aussichten auf einen „heißen Herbst“ sowie die ausstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum kommunalen Ausländerwahlrecht in Schleswig-Holstein und Hamburg dürften zum terminlichen Rückzieher der SPD beigetragen haben.

Inzwischen rühren sich auch innerhalb der AL Stimmen, die für eine Verschiebung zumindest des Gesetzesantrags plädieren. Bernd Köppl, Al-Abgeordneter mit dem Ruf eines ausgeprägten Realpolitikers, will den Rechten keinen „Startschuß für ihre Kampagnen“ liefern und statt dessen „politisch initiativ“ werden. Eine gemeinsame Kampagne von AL und SPD könne er sich statt dessen vorstellen - nach dem Motto „100.000 Unterschriften für das kommunale Ausländerwahlrecht“. Damit könne man auch die SPD inhaltlich einbinden - auf die Gefahr hin, daß die Sozialdemokraten auf mehr als nur eine zeitliche Verschiebung aus sind. Der Ausländerbereich seiner Partei geht allerdings fest davon aus, daß ein Gesetzesantrag in einer der unmittelbar folgenden Sitzungen des Parlaments eingebracht wird. Die Verschiebung sei nur deshalb aufgetreten, weil „die SPD nicht in die Puschen gekommen ist. Interview mit Walter Momper

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