Hafturlauber erschoß Disko-Türsteher

■ Festnahme im Fall „Tolstefanz“ / Polizeigewerkschaft kritisiert rot-grüne Justizpolitik / Justizbehörde: „Falscher Aufhänger“

Zu einer Kontroverse zwischen der Justizverwaltung und der Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat die gestern erfolgte Verhaftung eines Strafgefangenen im Fall der Schießerei vor der Diskothek „Tolstefanz“ geführt. Der Mann, ein 28jähriger Karosserieklempner, räumte noch gestern vor einem Haftrichter ein, am Sonntag einen Türsteher des „Tolstefanz“ (angeblich aus einer Notwehrsituation heraus) erschossen zu haben. Seit Juni letzten Jahres verbüßte der Klempner zwei Freiheitsstrafen von zusammen zwei Jahren und vier Monaten im Gefängnis Plötzensee, hatte jedoch am letzten Wochenende einen genehmigten Hafturlaub.

Die stellvertretende Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft, Ruhnau, sprach gestern in einer Erklärung fälschlich von einem sogenannten Freigänger. Von dieser unrichtigen Annahme ausgehend, griff sie sodann die rot-grüne Politik der Vollzugslockerungen an. Zum Schutz der Bevölkerung vor gemeingefährlichen Straftätern müsse die Justiz jetzt die Kriterien für die Gewährung von Hafturlaub überprüfen. Auch die SPD/AL-Koalition sei aufgefordert, ihre Koalitionsvereinbarung dahingehend zu überprüfen. Frau Ruhnau: „Dieses Delikt hätte vermieden werden müssen, wobei neben der erheblichen Verunsicherung der Bevölkerung durch derartige Taten auch die Polizei unnötig zusätzlich belastet wird.“

Justizsprecher Achhammer dazu: „Das ist der falsche Aufhänger, den die Gewerkschaft hier nimmt. Was diesen Fall von anderen unterscheidet, ist ja, daß der Gefangene bisher als Gewalttäter nicht in Erscheinung getreten ist.“ Auch eine intensivere Prüfung der Voraussetzung für den Hafturlaub hätte deshalb vor der Tat kein anderes Ergebnis bringen können.

Nach Angaben der Justizverwaltung handelt es sich bei dem Geständigen um einen sogenannten Erstverbüßer, der ausschließlich wegen verschiedener Eigentumsdelikte und Begünstigung verurteilt worden war. Zwar habe der 28jährige sich im offenen Männervollzug befunden, doch sei er kein Freigänger gewesen. Der Gefangene habe sich ausgesprochen aktiv für eine Resozialisierung eingesetzt und mit Erfolg an einer Selbsterfahrungsgruppe der freiwilligen Straffälligenhilfe teilgenommen. Wie es ferner hieß, hatte der nun wegen Totschlags Verhaftete mehr als vierzigmal den Plötzenseer Knast im Rahmen von Urlauben und Ausgängen ohne Beanstandung verlassen. Für die Zeit eines vorgesehenen Freigangs suchte sich der Gefangene auch erfolgreich einen Arbeitsplatz.

Erst nach einem für Dienstag bewilligten, erneuten Ausgang kam er nicht wieder. Festgenommen wurde der Flüchtige am Mittwoch abend in einer Wilmersdorfer Telefonzelle. Erste Hinweise auf ihn kamen, so die Polizei, von einem früheren Angestellten der Diskothek „Tolstefanz“.

thok