Spielst du mit Boris, dann gnade dir Gott

■ US-Open: Becker stolpert in die 3. Runde, Wilander und McEnroe nicht, und Graf kann auch wieder mit Frauen spielen

Berlin (taz) - Als die Not am größten war, hob Günter Bosch die Augen zum Himmel und sprach: „Jetzt kann nur noch einer helfen.“ Dort unten auf dem Centre Court von Flushing Meadow hob Derrick Rostagno an, seinem einstigen Lieblingsschüler ein frühzeitiges Turnierende zu bereiten, doch nun sollten sich die guten Beziehungen auszahlen, die Boris Becker einst geknüpft hatte, als er bei seiner Audienz in Rom Herrn Wojtyla werbewirksam einen Tennisschläger zum Geschenk machte. Selbst durch den ohrenbetäubenden Lärm der Düsenjets wurde Boschs Hilferuf erhört, und nachdem Becker den zweiten Matchball mit Hilfe der Netzkante abgewehrt hatte, brabbelte der fromme Günter „Das war ER.“

Den Rest schaffte der 21jährige Wimbledonsieger dann alleine. 6:3 gewann er den fünften Satz mit dem fünften Matchball gegen den gefrusteten US-Amerikaner, der seinem Ruf, „etwas komisch“ (Becker) zu spielen, während der viereinhalb Stunden voll gerecht wurde. 1:6 und 6:7 ging der 23jährige zügig in Führung, und der gläubige Boris mag sich an Tobias 6, Vers 3 erinnert haben (O Herr, er will mich fressen). Vorerst aber wollte Becker nicht jämmerlich umkommen (Buch Baruch 2,25) und holte sich den dritten Satz, wohl wissend, daß „es schwer ist, sich für diesen letzten Höhepunkt des Jahres noch einmal aufzuraffen“.

Im vierten kam es erneut zum Tiebreak, in welchem Rostagno bereits mit 4:6 vorne lag, jener Zeitpunkt also, bei dem Bosch flehte und von dem Becker sagte „Ich hatte einen Schutzengel, aber der wäre fast zu spät gekommen“. Matchball eins überstand er mittels krachendem Aufschlag, beim zweiten bugsierte die Netzkante die Filzkugel narrend über Rostagno hinweg, mit 8:6 ging diese Verlängerung an Becker.

Wie eng die Angelegenheit war beim 1:6, 6:7, 6:3, 7:6, 6:3, zeigt die Statistik der Punkte: 174:166 zugunsten des Leimeners, der sich darob ein „schlecht gespielt, aber gut gekämpft“ ausstellte. Das darf wieder einmal wundern, denn der Meister selbst meint von sich, er sei „körperlich sicher jetzt nicht mehr der Beste“. 53 Matches hat er in diesem Jahr bereits bestritten (und nur sechs verloren), was ziemlich in die Knochen geht, zumal „es einfach furchtbar ist, hier zu spielen. Der Lärm und das ganze Drumherum sind eine Katastrophe“.

Von der nötigen Contenance des weißen Sports halten die New Yorker nämlich herzlich wenig: Wer Hunger verspürt, steht auf und geht zur nächsten Hot-Dog-Bude, wem unmäßiger Colakonsum auf die Blase drückt, rennt zur Toilette, und zwar unabhängig davon, ob ein Spieler gerade zum entscheidenden Smash ausholt; der nahegelegene Großflughafen „La Guardia“ tut das seine dazu. Möglicherweise aber muß Boris Becker all das nicht mehr lange ertragen. In der nun kommenden dritten Runde trifft er auf Miloslav Mecir, was „kaum härter“ (BB) hätte kommen können, weil der noch komischer spielt als Derrick Rostagno. Immerhin hat er Günter Bosch und damit Tobias 5,29 (Denn ich glaube, daß der gute Engel Gottes ihn geleite) im Rücken.

Wesentlich härter als Becker traf es zwei andere Prominente: Mats Wilander und John McEnroe, Titelverteidiger der eine, vierfacher US-Open-Gewinner der andere. Mit 7:5, 3:6, 6:1, 1:6, 4:6 mußte sich der Schwede Pete Sampras (USA) beugen, während für Big Mac ein niederländischer Qualifikant das Aus brachte. 4:6, 6:4, 3:6, 5:7 gewann Paul Haarhuis, und sein Gegener fand das „schwer zu schlucken“. Mehr noch: „Ich bin so angeekelt von meinem Spiel, daß ich mir überlege, ob es überhaupt noch Sinn hat, Tennis zu spielen.“ Weshalb der liebenswerte Querkopf mit Jesus Sirach 30,26 gewarnt sei: Eifer und Zorn verkürzen das Leben.

Solche Sorgen treiben Steffi Graf nicht um. Gewohnt flott zog sie nach 43 Minuten in die dritte Runde (6:1, 6:1 gegen Nathalie Herreman) und freute sich: „Es hat ein bißchen gedauert, bis ich mich wieder daran gewöhnt habe, mit Frauen zu spielen. Jetzt geht es wieder.“

Thömmes

Herren 2. Runde: Carl-Uwe Steeb (Stuttgart) - Rahnasto (Finnland) 6:2, 6:3, 6:3; Krickstein (USA) - Masur (Aus) 2:6, 6:4, 7:6, 6:3; Pernfors (Schweden) - Koevermans (NL) 6:2, 6:4, 6:2; Noah (F) - Witsken (USA) 6:2, 6:3, 6:4; Mecir (CSSR) - Woodforde (Aus) 6:3, 6:0, 7:6

Damen, 2. Runde: Navratilova (USA) - Halard (F) 6:1, 6:0; Evert (USA) - Burgin (USA) 6:4, 6:1, Garrison (USA) Fernandez (USA) 7:5, 6:4; M. Malejewa (Bulgarien) - Cueto (Mannheim) 5:7, 6:3, 6:3 aufgegeben; Zwerewa (UdSSR) Ferrando (Italien) 6:3, 6:4; Mandlikova (Aus) - Golarsa (Italien) 7:6, 0:6, 6:1; Tauziat (F) - Rinaldi (USA) 6:2, 6:1; Seles (Jugo.) - Smith (USA) 7:5, 6:2.