Gummiknüppel immer in der Schublade

■ Ein ehemaliger Zivi über seine Dienstzeit im Bremer Jacobushaus für Obdachlose: schreckenerregende Umstände

Obdachlosenwohnheim, in Bremen das Jacobushaus. Der Zivi erinnert sich noch, wie es drinnen aussah. Kein Haus zum Wohnen. Am ersten Dienst-Tag gleich eine Leiche. Der Fixer war schon drei Tage tot, aber weil am Wochenende kein Sozialarbeiter im Haus war, hat es niemand gemerkt. Die Innere Mission fordert, daß die Mitarbeiter gegenüber der Presse schweigen, „schon wegen der Bewohner“. Beim zweiten Toten ist die Ruhe nicht herzustellen - zu schreckenerregend sind die Umstände. Totschlag, 32 mal mit dem Bügeleisen auf den Kopf. Die Blutlache kam durch die Tür, und wieder war kein Sozialarbeiter auf der Etage, nur der Zivi. Der war dort so allein wie an der Pforte im Nachtdienst. Eine Woche allein mit 120 obdachlosen Männern, jede Nacht 12 Stunden. „Wenn irgendwas ist, du weißt ja, in der Schreibtischschublade.“ Da lag immer ein riesiger Gummiknüppel. Der Zivi hatte zweimal ein Messer vor dem Gesicht - der Knüppel hätte ihm wohl wenig weitergeholfen. Die Männer zogen die Messer eh mehr aus Langeweile und weil das Essen wieder so saumäßig war. Nichts gab es hier zu tun. Ein bißchen Fernsehen, Klinken putzen für 40 Mark die Woche, Sonntags eine echte Predigt und betreuerische Aktivitäten, wie einmal in der Woche Fußballspielen oder Kegeln. Dazu kam das persönliche Hobby: Gegenstände aus dem vierten Stock auf die Schnellstraße werfen, fast täglich. Die Bewohner liebten das Haus gar nicht, auf dem das „Kreuz mit den Schweineohren“ wie sie das Zeichen der inneren Mission nannten, prangt. Im Sommer lieber draußen schlafen. „Platte machen“.

Die Mitarbeiter und die Zivis mochten das Haus auch nicht und wurden krank. Jetzt soll vieles anders geworden sein. Es gibt eine Fahrradwerkstatt, eine Bibliothek und durchweg nur noch Einzelzimmer. Der Leiter lobt das Haus und sich selbst. Sogar das Essen sei besser geworden und erst die Betreuungsmaßnahmen. Uns wird ein Bewohner vorgeführt, dem man geholfen habe „trocken zu werden“ und der jetzt „zum ersten Mal seit Jahren in einem sauberen Zimmer wohnt“. Als ich dann das Essen runterwürge, weiß ich, daß es noch schlechter geworden ist, und den Vorzeigebewohner sehe ich einige Wochen später in der Stadt wieder - völlig besoffen.

Wenn sich im Jacobushaus was ändern soll, dann braucht es mehr ausgebildete Sozialarbeiter ( keine „Zwölfender“) und mehr Kontrolle von außen. Es kann nicht angehen, daß mit den dortigen Tagessätzen ein gutes Mittelklasse-Hotel finanzierbar wäre, die Leistungen aber inklusive Betreuung die einer Jugendherberge nicht erreichen. W.S