: Kotzbrocken in Klarsichtfolie
■ „Sing - Die Brooklyn-Story“, Tanz-Musikfilm aus dem Restecontainer
Wenn die Conny mit dem Peter in der Penne... - und das im Studio in Toronto, wo Brooklyn simuliert wird, mit jugendlichem Verbrechertum so nett und college-sauber, so kuschelig menschlich, 'n büschen schwarze Typen mit steil gestyltem ArmhochBeinschrägzackzackzack vor pappenen Graffiti-Wänden, viel mächtig tolle Pauker im selben tanzbewegten Boot aus Leistungs-und Gemeinschaftsenthusiasmus - also, wenn das alles zusammenkommt, dann spricht man besser nicht von einem Film, sondern von einem Kondom fürs Auge. „Sing“ ist ein Ami -Teenie-Clip-Salat, in Klarsichtfolie reingekotzt und vor der Kamera wieder ausgeleert - da, freßt ein bißchen „Chorus Line“, ein bißchen „Grease“, ein Bröckchen „Saturday Night Fever“.
Brooklyn. Beschaulicher last Exit. Ein Jugendlicher klaut Champagner. Nein, keine Sorge: Champagner wird zurückgegeben, der junge Wegelagerer entpuppt sich als Tanzgenie, verliebt sich obendrein huschhusch ins ekle Urbild des braven US-Jung-mädchentyps: prüde, viereckiges Gesicht, unschuldig blaue Augen, die hohe Stirn geschrubbt. Okay, man widmet sich der guten Sache: Die Schule, von allen
heißgeliebt, soll geschlossen werden. „Das ist nicht fair“. Vor dem alljährlichen „Sing„-Wettbewerb. Gemeingemein. Also wird einstudiert, choreographiert, gesungen und Spagat gemacht. Kostüme und Kulissen - alles auf eigene Kosten hergestellt. Wollen doch mal sehen, ob nicht die Schulbehörde mit Broadway-Verschnitt noch umzustimmen ist. Wollen doch vor allem mal sehen, ob nicht ein Film ins Kino zu bringen ist, der aus dem Klischee vom Klischee vom Klischee nochmal eine Schablone macht, tranige Jungschauspieler von Laientheaters Gnadenbrot ernährt, erbärmliches Disco-Geholze mit Lahmarschbackenzittern vertanzwurstet und auf eine auch nur halbwegs plausible Geschichte dreist pfeift. Ja, wie man sieht: es geht. Drehbuchautor Dean Pitchford, Choreograph Otis Sallid („Fame“) und Richard Baskin, Regisseur, sind keine Namenlosen im Musikfilm-Geschäft. Beim Durchblättern des Presseheftes schwirrt einem der Kopf von all den „Grammies“, „Emmies“, Remmidemmies, die ihre Wege pflastern. Glorreiche Halunken also, die für eine Handvoll Dollar das junge Publikum für affendoof verkaufen. Aber vielleicht ist das junge Publikum gar
nicht so doof: Im Kino, um 18 Uhr, zur regulären Vorführzeit, saßen mal grade vier Personen: eine davon war ich, der sauren Pflicht genügend. Neben mir meine tanzfilmerfahrene Tochter, barmherzig ausharrende Begleitperson, die fassungslos im Sitz versank. Das jugendliche Publikum hatte zu seinem Besten Besseres zu tun.
Sybille Simon-Zülch
Filmstudio, 15.30, 18, 20.30
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen