Der Mann, der die Frauen lieben mußte

■ „Skin Deep“, die neue Komödie von Blake Edwards, dem Enzyklopädisten der Filmkomik

Sind Kondome witzig? Seit Beginn des Aidszeitalters gibt es in nahezu jeder Komödie aus Hollywood mindestens einen Gag über Präservative, und bisher wirkten sie alle wie als laue Witze getarnte Erziehungsmaßnahmen - als wollten die Produzenten bei den Zensoren gute Punkte machen - nach dem Motto: für jedes Kondom darf ein nackter Busen mehr gezeigt werden.

Blake Edwards aber hat den ersten guten Verhüterligag gefunden, und der ist zudem so brilliant obszön, daß man sich sogar fragt, wie er ihn an den Zensoren vorbeimogeln konnte.

Blake Edwards ist der Enzyklopädist des komischen Kinos. Billy Wilder beschrieb ihn einmal als „einen sehr guten Komödienschreiber, der hat zu Hause eine ganze Biblothek über Filmkomödien, das hat er regelrecht studiert, wie eine Wissenschaft.“ Für die Kondomszene hat er auf die uralte Tradition der Schattenspiele zurückgegriffen. Edwards bedient sich in seiner Biblothek mit Lachern aus allen Regalen, aus den billigen Magazinen und den großen, in Leder gebundenen Klassikern.

Es gibt sehr grobe, optische Slapsticks in „Skin Deep“: da

muß der Filmheld Zach Hutton über Möbel stolpern, sich bekleckern, oder unter Stromstößen zucken. Wenn er als einziger in einem Aladinkostüm auf einer Party erscheint, und alle anderen Smoking und Abendkleid tragen, wird er minutenlang nur ausgelacht, und durch das perfekte Timing der Sequenz wird das Publikum förmlich gezwungen, mitzulachen. Edwards ist hier grausam, aber es ist auch eine der witzigsten Szenen des Films.

Dann wechselt Edwards plötzlich von „Laurel und Hardy“ zu Lubitsch, und im verbalen Schlagabtausch ist Zach alles andere als ein Opfer. Auch wenn durch die Synchronisation viel vom Sprachwitz verloren geht, gehören die Dialoge zu den geschliffensten und pointiertesten, die in letzter Zeit im Kino zu hören waren.

Aber Zachs wirkliche Probleme sind nicht die Slapstickfallen, in die ihn sein Regisseur tappen läßt: er ist den suchtkrank nach den typisch kalifornischen „jungen, gesunden Körpern mit hübschen, leeren Köpfen“ von denen man im Laufe des Films auch eine ganze Reihe vorbeiziehen sieht. Seine abenteuerlichen Affairen mit einer Body Builde

rin, der Freundin eines strohdummen und eifersüchtigen Rockgitaristen, oder einer Brandstifterin enden regelmäßig in Katastrophen. Aber Zach Hutton ist kein Stehaufmännchen aus einem Comicbuch, er leidet wirklich unter seiner Sucht, durch die er sich langsam selbst zerstört. Er ist ein Mann, der die Frauen lieben muß und dadurch die Frau, die er liebt, verliert. Zudem ist er ein Schriftsteller, der nichts mehr schreiben kann und zuviel trinkt. Hier wechselt Edwards wieder den Grundton: Wenn Zach versucht, sich zu ändern, wenn er immer wieder schmerzlich scheitert und die nachdenklichen und sehr vernünftigen Gespräche mit seinen beiden Therapeuten, einem Psychoanalytiker und seinem Barkeeper ihn in ganz kleinen Schritten weiterhelfen, dann meint Edwards das sehr ernst und man merkt, daß er hier auch von sich und seinen Problemen als Mann in Hollywood erzählt. Nun ist der Humor auch freundlich, fast zärtlich.

„Skin Deep“ ist ein Film über eine Suchttherapie, und die letzlich doch romantische Heilungsgeschichte eines Schürzenjägers macht aus dem Film mehr als eine perfekt funktionierende, aber

letzlich kalte Gagmaschine. Dieser Wärmestrom fügt die einzelnen Elemente aus der komischen Enzyklopädie zu einer in sich geschlossenen Einheit zusammen.

Das gelingt Edwards nicht immer: In den letzten Jahren funktioniert bei seinen Produktionen abwechselnd alles oder gar nichts. Auf einen guten Film folgte immer ein sehr schlechter. „Skin Deep“ ist nun seine beste Komödie seit langem, auf einer Ebene mit „Breakfast at Tiffany's“, den ersten „Pink Panthern“ oder „Victor & Victoria“. Da muß man jetzt schon vor seinem nächsten Film warnen.

Wilfried Hippen

Europa, 15, 17.45, 20.30 Uhr