: Die Schule geht in Pension
■ GEW prophezeit den Bildungsnotstand / Pensionierungswelle ohne Neueinstellungen
Als vor etwa zwei Jahren die CDU in einer Bürgerschaftsanfrage wissen wollte, wie es denn in den kommenden Jahren mit dem Unterrichtsausfall in bremischen Schulen wegen Mutterschutz aussehen würde, antwortete die Behörde: kein Problem. Im Jahre 1992 sei davon auszugehen, daß in den Grundschulen keine Stunde Mutterschutz mehr anfällt. Der Grund war unschwer auszumachen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt, so die Kalkulation der Senatsbehörde, sind alle Bremer Grundschullehrerinnen so alt, daß Schwangerschaften passe sein dürften.
Mit dieser Anekdote wartete am Freitag der stellvertretende Bremer GEW-Vorsitzende Jürgen Burger auf, um zu belegen, daß der Senat wohlwissend „in einen dramatischen Bildungsnotstand schliddert“. Eine gewerkschaftseigene Untersuchung zur Entwicklung der Schülerzahlen und der Altersstruktur der Lehrerschaft förderte Ergebnisse zutage, die spätestens für die zweite Hälfte der 90er Jahre erhebliche Defizite bei der Unterrichtsversorgung befürchten lassen.
Jürgen Burger und Pit Spieß, Vorsitzender des Personalrats „Schulen“, rechneten anhand des Zahlenmaterials des Bildungssenators vor, daß bis zum Jahre 1995 ohne Einbeziehung der Sekundarstufe II 1.000 Bremer LehrerInnen pensioniert werden. Danach aber „geht die Pensionierungswelle erst richtig los“. Auf der anderen Seite hätten sich die prognostizierten Schülerzahlen stets als zu niedrig erwiesen. So gebe es 1989 10.000 BerufsschülerInnen mehr, als dies noch 1984 vorhergesagt wurde. Um den Unterricht auch langfristig in allen Schultypen und allen Fächern aufrechterhalten zu können, forderten Burger und Spieß die sofortige Wiederbesetzung jeder freiwerdenden Stelle.
Senator Franke warfen sie vor, eine Personalplanung vorzulegen, die „sich kein großer Konzern leisten könne“. Orientiert an Legislaturperioden und nicht an Schulnotwendigkeiten versage die Bildungspolitik. Die Zielzahl Frankes, bis 1995 die Anzahl der LehrerInnen in der Stadtgemeinde Bremen um 1.000 auf dann 4.200 zu reduzieren, gehe
an den Realitäten vorbei.
Schon heute sei an Grund- und Sonderschulen der Unterricht „gerade eben noch“ zu bewerkstelligen. Bei speziellen Qualifikationen, insbesondere im Berufsschulbereich, herrsche bereits akuter Mangel an Lehrernachwuchs. Das Referendariatsangebot wurde behördlich reduziert, die universitären Lehrerausbildungsplätze zurückgeschraubt. Der Bildungssenator möchte bis 1995 qua „Einstellungskorridor“ 321 Einstellungen vornehmen. Bei besagter Pensionierungsrate hieße dies einen realen Stellenabbau von etwa 500 Stellen. Das alles zusammengenommen „führt“, so Burger, „nach 1995 zur Katastrophe, wenn die große Welle von Pensionierungen beginnt, ohne daß Ersatzeinstellungen stattfinden“.
Gegen die „Flickschusterei“ des Bremer Senats fordert die GEW, den Einstellungsstopp aufzuheben und mindestens jede freiwerdende Stelle neu zu besetzen. Dabei müsse auch ein zeitweiliger LehrerInnen-Überhang in Kauf genommen werden.
anh
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