Abgeschobenes Mahnmal

■ Gedenktafel für Deserteure entschärft / Endgültig auf Bürgersteig statt an Kammergerichtswand / Kontinuitätsbeweis erster Klasse

Fest wie ein Parklücken-Poller steht sie jetzt in der Charlottenburger Erden, vorm ehemaligen Reichskriegsgericht (und jetzigen Kammergericht), und nicht da, wo sie eigentlich hin sollte: an die Wand. Die Rede ist von der Gedenktafel für die von der Wehrmachtsjustiz ermordeten Deserteure und KDVler. Sie sollte eigentlich an der Vordermauer der Ex-Nazi-Militärgerichtsbarkeit hängen. Doch da war, kontinuitätsbewußt, die heutige Kammergerichtsbarkeit vor (taz berichtete).

Gestern wurde die umstrittene Tafel zur historischen Zeit (5.45 Uhr) enthüllt. An die hundert waren gekommen, hielten Kerzen-Andacht und schwiegen eine Minute. Neben den Rednern, dem Vorsitzenden der Humanistischen Union, zwei Totalverweigerern, und einem Widerstandskämpfer der „Roten Kapelle“, (der hier einst vor Gericht stand und im Gegensatz zu einem halben Hundert seiner KameradInnen mit Zuchthaus davonkam), sogar der Justizstaatssekretär Schomburg war unter den Anwesenden. Er sprach nicht offiziell, aber betonte im Zwiegespräch den rot-grünen Willen, jetzt die Nazi-Justiz erforschen zu lassen und ihren Opfern ein „zentrales Mahnmal“ zu errichten. Daß an der Charlottenburger Gerichtswand gemahnt werde, hatte der Justizsenat bei den Richterreaktionären nicht durchdrücken können. Die Gedenktafel-Geschichte: Sie war von der BVV im Mai beschlossen worden, doch das Kammergericht lehnte die Anbringung am Gebäude ab. Als die Bürgermeisterin im Juni eine provisorische Holztafel enthüllen und an die Wand lehnen ließ, zerstörte der Kammerrichter Weiß mit Hilfe von Bauarbeitern die Tafel. Auch die Errichtung einer zweiten provisorischen Tafel wollte das Gericht verhindern, wurde aber vom Baustadtrat gebremst. Nun forderten die Kammerrichter noch eine Textänderung und setzten sich durch: Die Zahl der Ermordeten (500) wurde in „zahllos“ umgeändert. Der Satzteil „Zum Tode verurteilt und hingerichtet“ wurde bequem gekürzt: Das Wort „hingerichtet“ fiel weg. Jetzt steht die Tafel entschärft auf dem bezirkseigenen Bürgersteig zur Mahnung - nicht nur an die Vergangenheit.

kotte