King Kongs Welt

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(King Kong, Samstag, 22.05 Uhr, ARD) Der uralte Mythos von der wilden, animalischen Bestie, die angesichts einer schönen Frau ganz und gar sanftmütig wird, was die normal sterblichen Männer in solche Eifersuchtsstürme versetzt, daß sie dem omnipotenten Untier mit allen Mitteln nach dem Leben trachten, hat schon immer Literaten und Filmemacher inspiriert. Cocteaus La Belle et la Bete zeugt davon ebenso wie Arnolds Amphibienungeheuer in der schwarzen Lagune oder die unzähligen Frankenstein-Verfilmungen. King Kong aber ist der Archetyp all dieser debilen Horror -Monster.

1933 verfilmten die Hollywood-Regisseure Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack erstmals die Geschichte des urzeitlichen Riesenaffen. Der Film King Kong und die weiße Frau steht ganz in der Tradition der amerikanischen Expeditionsfilme, in denen der weiße zivilisierte Mensch unerforschte, urweltliche Gebiete betritt, um nach übriggebliebenem Urzeitgetier zu suchen. Als erster Tonfilm dieser Art ist er noch immer einer der bedeutendsten Beispiele für dieses Genre. Die Tricktechnik von damals ist selbst nach über fünfzig Jahren noch bemerkenswert. Der Hollywood-Meistertrickser Willis H. O'Brien entwickelte eine 45 Zentimeter hohe King-Kong-Puppe, deren Skelett mit Gummimuskeln versehen wurde, die sich spannen und strecken ließen. Der Körper wurde mit Baumwolle umkleidet, in der Form des Tieres modelliert und anschließend mit Kanninchenfell überzogen. Jeder Finger hatte einzelne Gelenke. Das Gesicht verfügte über einen beweglichen Mund, bewegliche Lippen, Nase, Augen und Augenbrauen. Aufgrund der technischen Präzision war es möglich, daß Kong seine Angebetete, die etwas furchtsam auf seine Riesenpatschen steht, mit einmalig treudoof-lüsterndem Blick anhimmeln konnte. Alle Tricks waren „echt“, das heißt sie wurden nachgestellt. Niemals hätten die beiden Regisseure einen Mann in das Kostüm des Übergorillas gesteckt, um ihn als King Kong agieren zu lassen. Daher dauerte es fast eineinhalb Jahre, bis der Film fertiggestellt war. Doch King Kong wurde ein so überragender finanzieller Dauererfolg, daß er die Produktionsfirma RKO vor dem sicheren Untergang rettete.

Die Deutschen bekamen die Originalversion jedoch erst viel später und in gereinigter Fassung zu sehen. 1938 wurde der Film ein Opfer verschärfter Zensurbedingungen. Kong durfte keine Menschen mehr zertrampeln oder fressen und vor allem der weißen Frau (Fay Wray) nicht mehr die Kleider vom Leib reißen. Die nachträglichen Schnitte veränderten den Grundton völlig, ließen King Kong viel schlapper und weicher wirken, kappten die drastischen, alptraumhaften Seiten seiner oft übermütigen Brutalität. Die entschärfte Fassung kam 1952 in die deutschen Kinos.

Nachdem sich die Japaner des King-Kong-Stoffes schon ausgiebig bedient hatten - sie degradierten Kong in ihren B und C-Pictures zu einer reinen Kampfmaschine gegen alle Monster und Greuel dieser Welt und ließen seine sexuellen Ambitionen völlig außer acht -, plante der gewiefte Hollywood-Produzent Dino de Laurentiis in den siebziger Jahren ein spektakuläres Remake des Klassikers. Diese Neuverfilmung, die heute abend in der ARD zur Vorstellung kommt, erhielt seinerzeit in der amerikanischen Öffentlichkeit eine Vorabpresse, wie sie kaum ein Film zuvor verzeichnen konnte. Gleichwohl war das Ergebnis so enttäuschend, daß SF-Fans und Kritiker unisono in Tränen ausbrachen. Die 'Sience Fiction Times‘ höhnte: „Um der ganzen Sache den richtigen Schwung zu geben, verarschte de Laurentiis das Publikum mit einem Riesenroboter, der angeblich den liebenswürdigen Affen spielen sollte, im Film jedoch nur für drei Sekunden zu sehen war und ansonsten von einem Mann im Affenkostüm ersetzt wurde.“ Rich Baker hieß dieser Mann, aber auch er konnte den Film nicht vor dem Flop retten.

Wie denn auch, wo King Kong doch den Archetyp des Archetyps der Spezies Mann repräsentiert, und mithin die gesamte männliche Potenz auf seinen viel zu schmalen Schultern lastete. Wenn denn schon König Kong in die Enge der heimischen Bildröhre gequetscht wird, wünscht sich frau doch zumindest das Original anstatt des modernen Plagiats, in dem forsche Expeditionsteilnehmer durch schnöde Ölsucher und das Empire State Building durch das World Trade Centre ersetzt werden.

utho