Der PreussenElektra-Minister

■ Jochimsen kann entweder Minister sein oder im Beirat des Atomstromriesen sitzen

Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Reimut Jochimsen (SPD) muß zurücktreten - wenn nicht wegen Bestechlichkeit, dann wegen politischer Dummheit. Kaum zu glauben, daß ein „Profi“, der seit Jahren eine, wenn auch manchmal bremsende, in jedem Fall aber zentrale Rolle bei der mühsamen Umorientierung der SPD von der bedingungslosen Atom- zur bedingten Ausstiegspartei spielt, sich einen solchen Lapsus leistet. Der Chef der nordrhein-westfälischen Atomaufsicht hat über die Sicherheit des Uralt-Reaktors in Würgassen zu wachen und sonst gar nichts.

Die gestrige Erklärung des Ministers schlägt dem Faß erst recht den Boden aus. Der Beiratsposten entspreche den traditionellen „Gepflogenheiten“ der PreussenElektra, wird da treuherzig kundgetan. Eben. Jochimsens Engagement bei dem Atomstromriesen ist ja kein Altlast-Pöstchen aus den Zeiten vor der Atom-Kehrtwende seiner Partei. Er hat den Posten im vergangenen Jahr just zu dem Zeitpunkt angetreten, als erste Ergebnisse des von ihm in Auftrag gegebenen Sicherheitsgutachtens die gravierenden Mängel des Würgassen -Reaktors unübersehbar machten. Harte Auseinandersetzungen um den Weiterbetrieb, um möglicherweise millionenschwere Nachrüstungsauflagen zwischen Betreiber und Genehmigungsbehörde waren also vorprogrammiert. Und wenn es nun entschuldigend heißt, seit Mai wolle der Minister den Posten „verbindlich“ aufgeben, dann muß die Frage erlaubt sein, warum er ihn Anfang September noch nicht los ist.

Aber es geht um mehr als nur politische Hygiene. Einer von Jochimsens Parteifreunden und ein scharfer Analytiker dazu, der Atomphysiker Klaus Traube, hat schon vor Jahren erkannt, daß die systematische Einbindung von Politikern, der ständige Seitenwechsel von Ministerialbeamten und Atomtechnikern zwischen Atomwirtschaft und Ministerialbürokratien der Atomgemeinde von jeher als zentrale Säule ihrer Zukunftssicherung diente. Anders wäre das Überleben dieses Industriezweiges gegen eine stabile Mehrheit der Bevölkerung vermutlich gar nicht so lange zu bewerkstelligen gewesen.

Die nordrhein-westfälische SPD steht offiziell in „ungeheurer Homogenität“ hinter ihrem Minister. Das ist ihr gutes Recht - und es ist glatt gelogen. Hinter vorgehaltener Hand sind auch ganz andere Stimmen zu hören, wenn die Hände nicht gerade gebraucht werden, um sie wegen dieses Ministers über dem Kopf zusammenzuschlagen.

Gerd Rosenkranz