„Keine Story sondern ein Leidensweg“

■ 500 Beschäftigte bei Europart hoffen auf den Konkurs: „Nur dann geht es weiter„/ Viele Aufträge, aber kein Geld

„Das hier ist keine Story - das ist ein mehrwöchiger Leidensweg!“ Gerd Fischer, Betriebsratsvorsitzender der konkursbedrohten Hemelinger Europart GmbH, erzählte gestern mittag noch einmal ausführlich „das Indianerspiel“ auf dem Betriebsgelände vom Wochenende. Gericht und Gerichtsvollzieher waren eingeschritten, gestern morgen um 10 war der drohende Konkurs auf einer Betriebsversammlung bekannt gegeben worden. Die Geschäftsfühhatte keine Erklärung abgegeben. Quintessenz des gestrigen Tages: „Der Konkurs scheint unvermeidbar. Wir arbeiten aber weiter, denn Aufträge gibt es genug“, so Gerd Fischer.

Daß die Bremer Thomson Tochter auf die Pleite zusteuert, merkten die meisten der 500 Mitarbeiter erst, als sie im August aus

dem Urlaub zurückkamen und die Juligehälter auf den Konten noch ausstanden. Ihren Juli-Verdienst erhielten die Europart -Beschäftigten in zwei Raten. Daß sich für August eine ähnliche Situation ergab, erfuhren sie erst am Mittwoch letzter Woche. Zum 30. August wurden diesmal die ersten Lohnraten versprochen - am 1. September standen sie immer noch aus.

Elf Minuten vor Feierabend erfuhr der Betriebsrat an diesem Freitag, daß die Banken „die Kreditlinien gekündigt“ haben und das Unternehmen damit zahlungsunfähig wurde. „Daraufhin haben wir noch schnell eine Betriebsratssitzung für 16 Uhr einberufen und dazu die Geschäftsleitung eingeladen.“ Gerd Fischer gerät in Rage: „Wir mußten die Geschäftsleitung aber erst

drängen, ob sie nichts mitzuteilen hätte, damit uns überhaupt etwas gesagt wurde“ ärgert er sich über die fehlende Informationsbereitschaft des Managements.

Der Konkursantrag könnte längst gestellt sein, das weiß der Betriebsrat inzwischen - ob dies allerdings geschehen ist, hüteten die Geschäftsführer Zemitzsch und Steinmetz erneut wie ein Geschäftsgeheimnis. Dabei wäre der Konkurs die günstigste Voraussetzung für die Gründung einer Auffanggesellschaft zur Weiterführung des Betriebs. Sobald das Konkursverfahren läuft, können die 500 Mitarbeiter Vorschuß auf ihr Konkursausfallgeld beantragen - in diesem Fall will der Senat 90 Prozent der Gehälter zahlen. Das hatte der Finanzsenator gestern zugesichert.

Per „Kuckuck“ hat unterdes

sen der Gerichtsvollzieher zur Sicherstellung der Gehälter Produktionsmaschinen im Wert von rund 1,3 Millionen Mark gepfändet. Mit ihnen darf und soll jedoch weitergearbeitet werden, „damit der Konkursverwalter einen funktionierenden und sanierungsfähigen Betrieb vorfindet“, erläuterte der Betriebsratsvorsitzende. Die Belegschaft hoffe auf einen Konkursverwalter, der den Betrieb weiterführen und nicht zerschlagen will. „Die Voraussetzungen sind bei den vorhandenen Maschinen und unserem Know how denkbar günstig“, meint Fischer. Er habe seine KollegInnen deshalb aufgefordert, weiterzuarbeiten.

Die Arbeitsmoral im Unternehmen ist derzeit stark von den Ereignissen am Wochenende geprägt: Ein zur Europart-Mutter

EWD in Hannover aufgestie gener ehemaliger Kollege war mit zehn Mann angerückt, um produktionsnotwendige Werkzeuge abzutransportieren. Die Bremer Kollegen hatten dies mit engagiertem Einsatz am Werkstor verhindert. Die Bremer Geschäftsführung hatte zu dieser Aktion weder Stellung bezogen noch irgendetwas zum Schutz ihres Betriebes unternommen. Neben dem Trupp aus Hannover patroullierten am Sonntag auch permanent französische Autos um das Werksgelände in Hemelingen: „Vermutlich die Leute vom französischen Elektronik-Riesen Thomson“, so der Betriebsrat. Seitdem kontrolliert der Werkschutz sämtliche Fahrzeuge und Lieferscheine.

ra