Spätes Urteil für prügelnden Polizisten

■ Bald drei Jahre nach dem FAP-Aufmarsch wurde Polizist Hohmann für Schläge auf Gegendemonstranten veruteilt

„Ich sagte: 'Eh, was soll das'; und dann habe ich ihm eine geknallt.“ Mit diesen Worten hatte der Bremer Polizist Ulrich Hohmann im Juni 1988 vor dem Amtsgericht beschrieben, was im Januar 1987 zwischen ihm und dem Punk Manuel Z. im Mannschaftswagen der Polizei vorgefallen war. Damals war Polizist Hohmann Zeuge der Anklage, gestern war er selber angeklagt. Seine forsche Zeugenaussage kommt ihn jetzt teuer zu stehen. Zu 6.300 Mark Geldstrafe und Übernahme aller Gerichtskosten wegen „Körperverletzung im Amt“ verurteilte ihn Amtsrichter Hogenkamp gestern nach siebenstündiger Verhandlung. Der Punk Manuel Z. saß ihm als Nebenkläger gegenüber.

17. Januar 1987: 70 Anhänger der neofaschistischen FAP ziehen mit schwarz-weiß-roter Fahne im Stechmarsch durch die Bremer Innenstadt. Als sich an der Domsheide rund 80 Gegendemonstranten sammelten, wurde auch die Polizei aktiv. „Wir hatten den Auftrag, diesen angemeldeten Aufzug der FAP mit polizeilichen Maßnahmen zu flankieren“, berichtete Einsatzleiter Pugnatz eineinhalb Jahre später vor Gericht. Mit Knüppel und Reizgas schützte die Polizei die Neonazis vor den Gegendemonstranten. Die taz-ReporterInnen Katja Heddinga und Oliver Wegener dokumentierten in Wort und Bild den Polizeiüberfall, bei dem auch Polit-Staatsanwalt von Bock und Polach zugegen war.

Doch ermittelt wurde dann weder gegen die FAP-Marschierer noch gegen die prügelnden Polizisten. Vor Gericht kam der Gegen

demonstrant Manuel Z. und wurde im Juni 1988 wegen „schwerem Landfriedensbruch“ angeklagt und von Amtsrichter Rathke auch zu einem halben Jahr auf Bewährung verurteilt. Wichtigster Zeuge war damals der Polizist Hohmann.

Gestern, bald drei Jahre nach dem FAP-Aufmarsch, stand nun auch Hohmann vor Gericht. Staatsanwalt von Bock und Polach habe „zunächst den Ausgang des Prozesses gegen Manuel Z. abwarten wollen“, begründete er gestern die Verzögerung. Doch mit dem Abwarten verstrich auch die Chance, überhaupt noch zu Zeugenaussagen zu kommen. Bis gestern war der Polizist nie als

Beschuldigter befragt worden und der Punk nie als Zeuge. Auch die Polizeibeamten, die mit Hohmann und Z. zusammen im Mannschaftswagen gesessen hatten, mochten sich gestern an nichts mehr erinnern. „Ich weiß nur noch, was ich im Prozeß gegen Z. ausgesagt habe“, meinte gestern einer von ihnen.

Wie in den allermeisten Fällen von Körperverletzung im Amt wäre es auch diesmal zu keiner Verurteilung gekommen, wenn der schlagende Polizist sich nicht selber so eindeutig belastet hätte. Von einem Kollegen sei er auf Manuel Z. aufmerksam gemacht worden. Bei der Festnahme „habe ich ein bißchen kräftiger

arbeiten müssen“, erinnerte er sich vor Gericht, „ich habe ihn im Armdrehgriff zu Boden gedrückt und das Knie direkt ins Kreuz gesetzt“ (siehe unser Foto).

Richtig sauer sei er geworden, als er bei der Durchsuchung des Punks Murmeln und Muttern gefunden habe. Die hätten auf einer Demonstration nichts zu suchen, „das habe ich ihm später verdeutlicht.“ Der schmächtige Punk wurde mit Schlagstock und Stiefel traktiert und schließlich per Handschelle mit der rechten Hand an die Bank des Mannschaftswagens gefesselt. „Dann ist mir der Kragen geplatzt. Ich bin sehr laut geworden“, berichtete Hohmann. „Wo ist die Zwille zu den

Murmeln“, habe er ihn immer wieder drohend gefragt. Als Manuel Z. dann auch noch nach den sichergestellten Murmeln gelangt habe, „da hat er eine gehabt in Richtung Kopf. Ping ging das. Das war aber nicht gezielt in dem Moment“, berichtete Hohmann dem staunenden Gericht im Prozeß gegen Manuel Z.

Gestern wollte er sich - nun selbst auf der Anklagebank an diese offenen Worte partout nicht mehr erinnern. „Ich habe nur seine Hand mit den Murmeln festgehalten und seinen Oberkörper zurückgedrückt“, beschrieb er jetzt den Vorfall im Mannschaftswagen, „das war ein angemessenes Verhalten.“ Und zu seiner damaligen Stimmungslage: „Die Festnahme war ein beruflicher Erfolg für mich.“ Er sei auch „in gewisser Weise stolz“ gewesen, daß er dem Punk seine Schuld angesichts der Murmeln „so auseinandersetzen konnte“.

Manuel Z. hatte dagegen vor Gericht immer wieder versichert, daß er die Murmeln und Schrauben zuvor einem anderen Punk abgenommen habe, um ihn daran zu hindern, „Unsinn“ damit zu machen. Im Mannschaftswagen habe er nicht mehr nach den Muttern gegriffen. Ohne Anlaß habe Hohmann ihn geschlagen „bis ich geheult hab, erst dann hat er aufgehört.“

Doch diese Zeugenaussage wollte Richter Hogenkamp nur „in ganz beschränktem Maße“ glauben. Er begründete sein Urteil lieber mit den Aussagen des Täters in Uniform und fragte den Polizisten immer wieder: „Warum haben Sie das bloß gesagt?“

Dirk Asendorpf