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„Grüne“ Wahlen in den Niederlanden

Künftige Umweltpolitik ist das beherrschende Thema im niederländischen Wahlkampf / Finanzierung des „Umweltfahrplans“ war Grund für den Bruch der christlich-liberalen Koalition / Das neues Parteienbündnis „Grüne Linke“ setzt auf radikale linke Umweltpolitik  ■  Aus Amsterdam C. Gekeler

Die einzige Frage, die den eher langweiligen Wahlkampf in den Niederlanden interessant macht, ist nicht so sehr ob, sondern wie der bisherige und künftige christdemokratische Ministerpräsident Ruud Lubbers (CDA) seine dritte Amtsperiode antreten wird - mit absoluter Mehrheit, in einer Neuauflage der Koalition mit der rechtsliberalen VVD oder gar in einer großen Koalition mit den Sozialdemokraten (PVDA). Ein Streit um die künftige Umweltpolitik hatte der Koalition am 2. Mai das vorzeitige Ende gebracht und die vorgezogenen Neuwahlen vom morgigen Mittwoch notwendig gemacht. Die liberalen Koalitionspartner hatten sich im Frühjahr 1989 intern zerstritten über die Finanzierung des mit der CDA vereinbarten, sehr weitreichenden Umweltprogramms und waren ihrem eigenen Minister in den Rücken gefallen.

Damit wurde weltweit erstmals Umweltpolitik zum Sprengsatz, der eine Regierung auseinanderbrechen ließ. Der Grund der Krise, der Automobilfetischismus der Liberalen, warf auch seinen Schatten auf den Wahlkampf voraus: Umweltpolitik ist das Thema der Stunde. Vor allem die großen Parteien CDA, PVDA, und VVD rivalisieren mit Versprechungen zur Eindämmung der drei großen Umweltplagen des Landes: die enorme Nitratbelastung der Böden durch Überdüngung, der enorme Schadstoffausstoß von PKWs sowie die Berge von Industrie und Hausmüll in einem der dichtestbesiedelten Länder der Welt.

Die Ziele des am 29.April vereinbarten Umweltplans wurden im Wahlkampf sogar überboten. Der Vorwurf, die Niederlande seien das am meisten umweltverseuchte Land Westeuropas, lastet schwer auf der Regierung, bringt aber einem neuen Bündnis eher Stimmen ein als den Sozialdemokraten: „Grüne Linke“ nennt sich der Zusammenschluß aus den kleinen Linksparteien PSP (Pazifistisch-sozialistisch), PPR (Radikal -progressiv), CPN (Kommunisten) sowie EVP (Evangelische Volkspartei) und Unabhängiger. Zum ersten Mal kandidierte diese Liste bei den Europa-Wahlen vom letzten Juni und schnitt mit sieben Prozent überraschend gut ab. 12 Mandate (acht Prozent der Stimmen) werden ihnen vorausgesagt.

Während die Grüne Linke vor allem auf Stimmen aus dem Lager der liberalen und PVDA-Wähler hofft, versucht die PVDA ihrerseits den Wählern klarzumachen, daß jede Stimme für die linke Ökopartei eine Stimme für die Konservativen sei. Der neue Mann an der Spitze der niederländischen Sozialdemokratie, der 50jährige ehemalige Gewerkschaftsvorsitzende Wim Kok, warf in einem Fernsehinterview der neuen Konkurrenz vor, „unrealistische Luftschlösser zu bauen, deren Kosten die Wähler tragen“ müßten. In guter sozialdemokratischer Manier verspricht die PVDA selbst Arbeitsplätze, Abrüstung und die Aufhebung der Sparpolitik. „Wir wollen ein harmonisches Verhältnis zwischen wirtschaftlichem Prozeß, sozialer Gerechtigkeit und einem verantwortungsvollem Umgang mit der Umwelt“, so Kok. Da eine Alleinregierung der Sozialdemokraten mit maximal zu erwartenden 33 Prozent ausgeschlossen ist, sie aber trotzdem gerne regieren möchten, denken sie laut und offenherzig über eine mögliche Koalition mit den Konservativen nach. Erste Annäherungen zwischen den beiden Großen im Bereich der Lohn und Steuerpolitik gab es bereits in der vergangenen Woche. Die Grünen Linken wären ihrerseits zu einem (unwahrscheinlichen) linken Mehrparteienbündnis bereit. Das paßt zum Image der Grünen Linken als „No-Nonsense-Partei“, die sich auch vieler Stimmen aus dem Amsterdamer Yuppie -Lager sicher sein kann.

Was basisdemokratische Ansprüche betrifft, hält die Liste, was ihr Programm verspricht: Unabhängige und Aktive aus der Frauen-, Studenten-, Friedens- und Minderheitenbewegung wurden auf aussichtsreichen Plätzen aufgestellt. „Wir haben bewußt kompetente Unabhängige aus außerparlamentarischen Bewegungen für unsere Liste rekrutiert“, so ihre Wahlbroschüre. „Wir brauchen strenge Umweltgesetze, eine Steuer auf die Produktion umweltschädlicher Produkte (green tax), Produktionsverbot für schädliche Stoffe, Stimulierung energiesparender Produkte, Lastenverschiebung von Arbeit nach Kapital und Demokratisierung in den Betrieben.“ Auch das seit Jahren geplante Antidiskriminierungsgesetz will die neue Partei durchsetzen.

Innerhalb des grün-linken Bündnisses gibt es trotz des gemeinsamen Wahlprogramms einen „Blutgruppenstreit“. Nach außen hin jedoch wird Einigkeit demonstriert. Eine Diskussion mit den ebenfalls kandidierenden Grünen (De Groenen) wird nicht geführt. Zwar sind die Grünen schon länger grün, aber eben nicht links!

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