: Über Frauen nur Gutes
Wie im vergangenen Jahr sinniert unser Korrespondent Arno Widmann auch dieses Mal wieder über Algen, Venedig, die Biennale und zuallererst: die Frauen ■ Aus Venedig Arno Widmann
Vor Ort ist alles anders. Keine Algen zu sehen. Fragt man die Leute, sieht man in die Zeitungen, so ist aus dem Problem: Wo kommen sie her, diese verdammten Algen? das Problem geworden: Wo sind sie hin? Im Juli besetzten sie tonnenweise die Adria, schreiben die Zeitungen. Im August waren sie weg. Wie vom Erboden verschwunden kann man schlecht sagen. Jedenfalls aber sind schon seit Wochen keine mehr da. Der Effekt, so sagen die Wirte, sei dennoch katastrophal gewesen. Die netten Gäste hätten sich abgemeldet, die anderen seien einfach nicht mehr gekommen. Schuld sind wir: die Presse. So die Leute, die vom Tourismus leben. Was dran ist, an dem, was sie sagen, weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß keine Algen zu sehen sind. Aber das ist nicht weiter verwunderlich. Schließlich sieht man überhaupt nur wenig. Schon gar nicht die Sonne. Es regnet in Venedig. 23 bis 24 Grad zwar, aber mit hefigen Regenschauern und kühler Brise. Auch die Filmfestspiele sehen sich vor Ort anders an. Auf dem Lido gibt es ein Kino, das sonst, wenn das Festivalprogramm gar zu sehr ins kulturell Wertvolle ausschlug, handfestere Alternativen bereit hielt: Rambo, Moana Pozzi, Star Trek. Diese Alternative gibt's nicht mehr. Der Vielfraß „Mostra“ hat auch diese Oase der Normalität verschlungen und spuckt jetzt dort jeden Tag dreimal das Festivalprogramm aus.
Das Festival gibt sich dieses Jahr bescheiden. Man hört von großen finanziellen Schwierigkeiten. Die „Mostra“, das Filmfestival also, wird von der Firma Biennale finanziert. Die ist außerdem im kommenden Jahr noch mit der alle zwei Jahre stattfindenden Kunstausstellung, zwei Architekturausstellungen und einem Wettbewerb für den Neubau des Filmpalastes beschäftigt. Sie verfügt dafür bisher über fünf Milliarden Lire, aber die letzte Kunstausstellung kostete schon allein fünfeinhalb Milliarden, für das Filmfestival sind weitere viereinhalb Milliarden nötig, und die Architekturveranstaltungen kosten eine weitere Milliarde. Der Chef der Biennale, Paolo Portoghesi, erklärte jetzt, er werde, wenn die Vorhaben nicht schnellstens finanziell abgesichert würden, zurücktreten. Auf den Einwand, die Biennale habe doch für die Filmfestspiele immer einen Zuschuß vom „Ministerium für Unterhaltung“ bekommen, antwortete Portoghesi: „Einen Zuschuß, den wir in diesem Jahr zwei Tage vor der Eröffnung des Filmfestivals noch nicht hatten.“ Portoghesi schlägt mächtig auf die Pauke. Auch zum richtigen Zeitpunkt. Schließlich sind jetzt Journalisten genug da, die - angesichts des dürftigen Filmangebots der ersten Tage - dankbar jeden starken Spruch aufgreifen, um ihre Kolumne zu füllen. Jaja, die Filme. Ich weiß, aber was soll ich machen. Lina Wertmüller hat einen Film über Aids gedreht. Eine Frau, die über's KZ lachen konnte, entdeckt bei Aids die Tragik des Lebens zwischen langen Blicken auf Manhattans Wolkenkratzer, die Nelsonsäule in London und Venedigs Kirchen. „Über Frauen nur Gutes“, hat man mir beigebracht. Also kein Wort über Lina Wertmüller.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen