Hempels Erbe wird verschachert

Nach dem Tod des Atomschiebers Hempel wird der deutsche Uranmarkt neu geordnet / Weltweite Beziehungen und strategische Positionen des toten Uranhändlers sollen nicht verlorengehen / Uran-Imperium wird scheibchenweise verkauft  ■  Von Thomas Scheuer

Basel (taz) - Das Management der in Frankfurt ansässigen Urangesellschaft werkelt derzeit an einem Joint-venture mit dem sowjetischen Staatshandelsunternehmen Techsnabexport. Gleichzeitig steht mindestens zwei bedeutenden Firmen der bundesdeutschen Strahlenbranche eine Neustrukturierung ins Haus: die Urangesellschaft will mit der Steag Kernenergie zusammenspannen. Dies berichtet der US-amerikanische Branchenfachdienst 'Nuclear Fuel‘ in seiner jüngsten Ausgabe. Offenbar sollen in das geplante deutsch-sowjetische Joint-venture auch die Exklusivverträge über Urananreicherung in der UdSSR eingebunden werden, die der kürzlich verstorbene Düsseldorfer Atomalienhändler und Schwarzmarktkünstler Alfred Hempel 1978 an Land gezogen hatte.

Die Meldung des 'Nuclear Fuel‘, wonach Urangesellschaft und Steag Kernenergie zu einer neuen Firma verschmolzen werden sollen, bezeichneten Sprecher der beiden Konzernzentralen gegenüber der taz als „in dieser Formulierung falsch“. In der Sache aber scheint das Blatt richtig zu liegen. Die Steag bestätigte der taz: „Die Gesellschafter beider Firmen arbeiten an Konzepten, um die Kooperation enger zu gestalten.“ Ein Manager der Urangesellschaft nannte als Ziel der - offenbar kurz vor dem Abschluß stehenden Verhandlungen die „Neuordnung und Verstärkung der schon bestehenden Zusammenarbeit“. Ansonsten geben sich die Akteure des Revirements zugeknöpft und verweisen auf die Zukunft: Pressestatements seien „in ein oder zwei Wochen“ zu erwarten. Schon jetzt sind die beiden Unternehmen über Beteiligungen verquickt. Die Steag-Kernenergie ist eine hundertprozentige Tochter des Essener Energiekonzerns Steag AG, der seit deren Gründung im Dezember 1967 auch ein Aktiendrittel der Urangesellschaft hält. Die anderen zwei Drittel teilten sich bis vor kurzem die Veba und die ebenfalls im Urangeschäft aktive Metallgesellschaft. Letztere hat kürzlich ihr Drittel an Veba abgegeben. Veba, nun also Mehrheitseigner der Urangesellschaft, gehört wiederum über die Gesellschaft für Energiebeteiligungen zu den Steag-Aktionären. Die Frankfurter Urangesellschaft ist neben der vom RWE kontrollierten Uranerzbergbau GmbH wohl das führende Uranbeschaffungsunternehmen der BRD. Sie operiert auf dem internationalen Uranmarkt und betreibt weltweit Erschließung, Abbau und den Handel mit Uran. Tochtergesellschaften sitzen in den USA, Kanada und Australien; Beteiligungen stecken in Uranminen in Namibia, Niger, Gabun und Brasilien. Daß die Urangesellschaft mit 25 Prozent an der Rössing-Mine in Namibia beteiligt ist, wurde 1980 während eines Hearings der UNO offiziell bestätigt. Die Steag Kernenergie arbeitete bereits mit südafrikanischen Nuklearfirmen bei Projekten zur Hochanreicherung von Uran zusammen, wozu auch ein reger Wissenschaftleraustausch mit den Atomikern des Rassistenstaates gehörte.

Auch über ihr Joint-venture mit Techsnabexport (TSE) läßt die Urangesellschaft lediglich wissen, daß die Verhandlungen bereits „sehr weit gediehen“ seien. Regelrecht peinlich scheint den Verantwortlichen die Frage nach der Übernahme der Exklusivverträge mit TSE, die der Düsseldorfer Kaufmann Alfred Hempel abgeschlossen hatte. Wegen ihrer weltweiten Schwarzmarktgeschäfte mit sensiblem Nuklearmaterial wie etwa Schwerem Wasser (die taz berichtete mehrfach) geriet die Firmengruppe des kürzlich verstorbenen Rohstoffhändlers mehrfach in die internationalen Schlagzeilen und zuletzt auch auf die Tagesordnung des Bonner Untersuchungsausschusses zum Atomskandal. Mitte der siebziger Jahre ergatterte Hempel im Ostblock mehrere Alleinvertriebsrechte, etwa für den Verkauf von Radiopharmaka und radioaktiven Isotopen der Ostberliner Firma Isokommerz. Sein dickster Fisch: am 1.März 1978 schloß Hempel mit dem sowjetischen Staatsunternehmen Techsnabexport ein Agenturabkommen, das ihm die exklusive Vermittlung sowjetischer Urananreicherungsdienstleistungen für die BRD sicherte. Dem bis dahin eher unbedeutenden Gemischtwarenhändler Hempel kam dadurch eine strategische Position in der bundesdeutschen Atomindustrie zu, die zuvor weitgehend vom US-Monopol für Urananreicherung abhängig gewesen war. Industrie und Bundesregierung, so erinnerte sich Hempel-Manager Helmut Swyen vor dem Bonner Ausschuß, seien damals froh gewesen, neben dem „Knebelvertrag“ mit den Amis über eine zweite Anreicherungsschiene zu verfügen. Den Brennstoff für insgesamt sechs bundesdeutsche Atommeiler ließ die Hanauer Nukem (die bis zu Töpfers „Entflechtung“ Brennelemente herstellte) fortan in der UdSSR anreichern. Und Hempel kassierte immer mit: bei einem Umsatzvolumen von 200 Millionen Mark jährlich immerhin eine satte halbe Million - „und das praktisch ohne nennenswerte Gegenleistung“, wie in einem geheimen Prüfbericht der Düsseldorfer Zollfahndung vom Januar dieses Jahres vermerkt wird.

Seit Jahresbeginn '89 wird das Hempel-Imperium scheibchenweise verkauft. Die Geschäftsbereiche Chemie, Nukleartechnik und Isotope etwa wurden an die belgische Holding Medgenix abgetreten, die größtenteils von südafrikanischem Kapital kontrolliert werden soll. Seither wird in der Branche gerätselt, was mit den Exklusiv-TSE -Lizenzen der Düsseldorfer Atomschieber geschieht. Anfangs soll Nukem Interesse gezeigt, dann aber abgewunken haben. Nun soll sich die Urangesellschaft die TSE -Alleinvertriebsrechte für die BRD, Luxemburg, Schweiz, Österreich und die Niederlande geangelt haben; quasi „als Vorspiel“ für das Joint-venture, wie ein Manager meint. Ein „Aufatmen“ in der Branche und in Bonn registrierte ein Manager, nachdem mit Hempel ein weiterer skandalbefrachteter Name aus der Firmenlandschaft der Atomindustrie verschwunden sei.