„Krieg gegen das Volk und nicht gegen Drogen“

Arnold S. Trebach, Juraprofessor an der Washingtoner American University und Präsident der „Drug Policy Foundation“  ■ I N T E R V I E W

taz: Gegen wen führt die Bush-Administration eigentlich ihren Antidrogenfeldzug?

Arnold S. Trebach: Ungefähr 50 Millionen Menschen in den USA benutzen Drogen. Der Krieg gegen Drogen richtet sich also gegen jeden vierten Bürger, es ist ein Krieg gegen das Volk und nicht gegen Drogen.

Auch Tabak und Alkohol sind Drogen. Warum hat die Administration die Linie so gezogen, daß Alkohol und Tabak auf der legalen Seite, Marihuana und Heroin aber auf der illegalen Seite liegen?

Diese Linie ist ein historischer Unfall, ist irrational. Wer Drogen verbieten will, fängt doch mit Alkohol und Tabak an. In diesem Land bringt keine Droge mehr Menschen um als Tabak, und wohl nicht einmal Crack schafft eine derartige physische Abhängigkeit. 390.000 Raucher sterben hier jedes Jahr an Krebs und Herzkrankheiten. Alkohol fordert jährlich zwischen 100.000 und 150.000 Menschenleben. Die illegalen Drogen haben dagegen pro Jahr ungefähr 4.000 Todesopfer gefordert, noch einmal etwa die gleiche Zahl kommt im Zusammenhang mit dem Drogenhandel ums Leben. Es hat noch keinen einzigen Fall gegeben, in dem jemand an einer Marihuanaüberdosis gestorben wäre. Dennoch werden in den USA jährlich 400.000 Menschen wegen Marihuanabesitzes oder -handels festgenommen - es grenzt an schieren Wahnsinn.

Welche Chancen hat der Antidrogenplan?

Ich habe den Entwurf gelesen - das ist alter Kram, ein paar geänderte Nuancen vielleicht. Seine Verfasser scheinen vergessen zu haben, daß frühere, ähnliche Pläne gescheitert sind. Auch dieser wird scheitern. Hier habe ich als Gegenbeispiel den Bericht von Richard Nixons „Kommission zu Marihuana und Drogenmißbrauch“ aus dem Jahr 1973, geleitet von dem sehr konservativen Republikaner Raymond Shafer. Eine objektive Untersuchung des Drogenproblems, die eine begrenzte Entkriminalisierung der Benutzung und des Verkaufs kleiner Mengen Marihuana empfiehlt.

Wie würden Sie dem Drogenproblem und der mit Drogen einhergehenden Gewalt begegnen?

Ich würde die niederländische und die britische Strategie kombinieren - ungefähr das hat auch die Shafer-Kommission damals empfohlen. Die Niederländer gehen am besten mit Marihuana um - ihnen ist es gelungen, Marihuana langweilig zu machen -, die Briten hingegen am besten mit Heroinabhängigen. Drogen lassen sich nicht verbannen, Drogengebrauch läßt sich nicht verhindern. Man muß versuchen, den Schaden möglichst klein zu halten. Bennett will „Drogenbenutzer eliminieren“ - eine erschreckende Vorstellung, eine ganze Klasse von Leuten zu eliminieren.

Drogenbenutzer sollten wie in den Niederlanden als normale Mitglieder unserer Gesellschaft behandelt werden. Die Botschaft der Niederländer an Drogenabhängige ist, ihnen Hilfe anzubieten, ihre Gesundheit zu bewahren, sie zum Aufhören zu bringen, doch wenn das nicht möglich ist, ihnen die Drogen und Injektionsnadeln auf legalem Weg zugänglich zu machen. In Großbritannien hat man Nadeln entwickelt, die nach einmaligem Gebrauch kaputtgehen, so daß sie nicht von mehreren benutzt werden können. Außerdem gibt es Heroin- und Methadonzigaretten, die von Ärzten verschrieben werden, und die den Vorteil haben, daß man sich durch sie nicht mit Aids infizieren kann.

Und was ist mit Crack? Das hat in den USA die Situation doch radikal verändert.

Crack kam in der Mitte von Reagans Krieg gegen Drogen auf, ein perfektes Beispiel dafür, wie ein solcher Feldzug völlig überraschende Folgen haben kann. Ich kann nur vermuten, wie Crack auf den Markt gekommen ist. Ein Teil der Antwort ist sicher, daß jedes Verbot einige veranlaßt, nun erst recht das Verbotene zu tun. Außerdem gab es ein Überangebot an Kokain, und indem man die Form der Droge, die Packung sozusagen, verändert hat, hat man einen neuen Markt geschaffen. Drittens hat man schon immer versucht, bewußtseinsändernde Drogen zu verfeinern und ihre Wirkung zu erhöhen. Sie können das Kokablatt kauen und erhalten ein interessantes, betäubendes Gefühl. Oder sie verarbeiten es zu Kokainhydrochlorid, das ist das weiße Pulver. Wenn sie das mit einem Salz versetzen, haben sie Crack, das sie rauchen können und das viel stärker abhängig macht. Aber Crack hat nicht soviel verändert, es könnte sein, daß es in drei Jahren auch langweilig geworden ist und man wieder etwas Neues ausprobiert.

Man diskutiert seit einiger Zeit über die Legalisierung von Drogen, wobei einige Gegner dieser Idee so tun, als wolle man Crack im Supermarkt verkaufen.

Wir müssen den Weg hin zu einer Legalisierung einschlagen. Aber ich sehe die Möglichkeit von Kompromissen: Laßt uns damit anfangen, was die Shafer-Kommission 1973 vorgeschlagen hat. Ich bin für volle Legalisierung und den Verkauf - nicht in Supermärkten, sondern in Läden mit gewissen Regeln, Altersbegrenzungen und Warnungen über die Gesundheitsgefahren, genauso, wie in Teilen dieses Landes mit Schnaps verfahren wird.

Warum gibt es so heftigen Widerstand dagegen?

Weil es etwas Neues ist und Angst macht. Und weil es so eine ungeheure Hysterie gibt.

Stefan Schaaf