George Bushs aussichtsloser Feldzug

■ Heute wird der US-Präsident sein 7,8-Milliarden-Dollar-Programm zur Drogenbekämpfung vorstellen

Schon Ronald Reagans Rechnung „je mehr Knäste, desto weniger Dealer und Drogenkonsumenten“ ging nicht auf. Nie wurde in den USA so viel Marihuana angebaut wie 1988, nie kam mehr Kokain ins Land. Doch Nachfolger George Bush läßt sich davon nicht schrecken: Der Plan seines obersten Drogenbekämpfers William Bennett, den der Präsident heute offiziell vorstellen wird, setzt weiter auf noch mehr Knäste - und auf den Kampfplatz Südamerika.

Das Konzertpublikum sieht aus, als wäre Woodstock gerade vor zwei Wochen gewesen: wallende indische Kleider, Batik-T -Shirts und Sandalen, wildwuchernde Mähnen und Bärte. Allenfalls die eisgrauen Locken Jerry Garcias, des Gitarristen der legendären Hippie-Band „The Grateful Dead“, deuten an, daß einige Jahre ins Land gegangen sind, seit die „Dead“ und ihre treuen Jünger zuerst die kalifornische Küste auf und ab tourten und die Begleitmusik für unzählige LSD -Trips lieferten. Inzwischen folgt eine neue Generation von „Deadheads“ samt ihrem psychedelischen Beiwerk auf den Spuren Garcias, raucht Dope, lauscht seinen unverwechselbaren perligen Gitarrenläufen und träumt von einer besseren Welt.

Zwanzig Meilen weiter südlich, im Südostbezirk der Bundeshauptstadt Washington, bilden Drogen den Hintergrund für einen Alptraum mit tödlichen Folgen. Fast jede Nacht stirbt jemand in der blutigen Auseinandersetzung um Märkte und Profite im Crack-Geschäft. In der Regel sind die Opfer jung, männlich und schwarz; jedes zweite hat noch Spuren des Rauschmittels im Blut. Über 300 Morde wurden in diesem Jahr schon in der 620.000-Einwohner-Stadt begangen, bis zum Jahresende wird ein trauriger Rekord von etwa 500 Todesopfern zu verzeichnen sein.

Drogen bedeuten nicht für jeden dasselbe, für manche spielt der abendliche Joint die Rolle des Feierabend-Drinks, für andere bedeutet der Einstieg in den Crack-Handel der US -amerikanischen Großstädte das raketenschnelle Entkommen aus der Hoffnungslosigkeit des schwarzen Ghettos. Doch die Bush -Administration schert alle über einen Kamm: Für einen Joint kann es genauso Knast geben wie für ein Kilo Kokain. Bisher hat diese harte Strategie, zu der Drogentests am Arbeitsplatz genauso gehören wie die Beschlagnahme von Häusern, Autos und Jachten, nichts zu ändern vermocht. Deswegen wird nach noch härteren Sanktionen gerufen - eine Spirale ohne Ende.

Und nicht immer gehen diejenigen, die für den Krieg gegen Drogen verantwortlich sind, mit gutem Beispiel voran. Die Reagan-Administration mußte sich von einem Untersuchungsausschuß des Senats vorwerfen lassen, die Augen verschlossen zu haben, als der Kampf der Contras gegen die Sandinisten von Oliver North und seiner Truppe mit Drogengeschäften vermischt wurde. In Washington wurde Bürgermeister Barry in der vergangenen Woche von einem persönlichen Freund selbst des Crack-Genusses bezichtigt ein Vorwurf, der Barrys politische Karriere schon seit Jahren begleitet.

Wenn es nach Präsident Bushs oberstem Drogenbekämpfer William Bennett, Chef der „Drug Enforcement Agency“, geht, soll Washington zum Vorzeigeobjekt im „War on Drugs“, dem Feldzug gegen Drogen, werden. Bennett glaubt, daß der Crack -Epidemie Einhalt geboten werden kann, wenn nur genügend Dealer gefaßt, verurteilt und hinter Gitter gebracht werden. Er ging sogar soweit, die Enthauptung Drogenkrimineller nach saudiarabischem Muster als „moralisch plausibel“ zu bezeichnen.

„Null-Toleranz“

bringt null Erfolg

Das Resultat dieser schon unter Präsident Reagan begonnenen Strategie der „Null-Toleranz“ ist ein zweiter trauriger Rekord: Die Zahl der Gefängnisinsassen in den USA hat sich in den letzten zehn Jahren auf 620.000 verdoppelt. Trotz eines gigantischen Bauprogramms für neue Haftanstalten wird sich aber nichts daran ändern, daß das Justizsystem der USA Bennetts vollmundiges Versprechen, die Dealer hinter Gitter zu bringen, nicht erfüllen kann.

Die einheimische Marihuanaernte war 1988 trotz des Einsatzes von mit Infrarotkameras ausgerüsteten Suchflugzeugen die größte bisher. Mit knapp 5.000 Tonnen lag sie 38 Prozent über dem Vorjahresergebnis, so verkündet ein offizieller Bericht der US-Administration.

In einer landesweit übertragenen Fernsehansprache am heutigen Abend wird Präsident Bush der amerikanischen Bevölkerung darlegen, wie er es fertigbringen will, illegale Drogen aus der US-Gesellschaft zu verbannen. Harte Strafen für Drogengenuß, -besitz und -handel bilden den Kern des Plans, die Bandbreite der Maßnahmen reicht vom Schulverweis für Kiffer über die Beschlagnahme des Besitzes erwachsener Drogenbenutzer bis zu hohen Mindeststrafen für Drogenhändler.

Der Plan soll 7,8 Milliarden Dollar im Haushaltsjahr 1990 kosten, das am 1.Oktober beginnt. Reagan gab 1981 etwas über eine Milliarde Dollar aus, für 1989 bewilligte der Kongreß 5 Milliarden. Für allein 1,2 Milliarden Dollar will Bush neue Bundesgefängnisse bauen, mit 350 Millionen aus der Bundeskasse sollen örtliche Polizeikräfte unterstützt werden. Nur 30 Prozent der Mittel sollen für die Behandlung Drogenabhängiger und für die Aufklärung an Schulen verwendet werden, was bereits Kritik aus dem Kongreß provoziert hat.

Noch ist ohnehin unklar, wo die Milliardensummen herkommen sollen, und so läßt der Zwang zum Sparen manche Geste zur Farce werden. Eines der beiden C-130 Transportflugzeuge, das die USA am Wochenende Kolumbien großzügig zur Verfügung stellten, ist ein verbeulter, 31 Jahre alter Veteran der Lüfte. Nahezu aufgegeben hat man den Versuch, den Schmuggel von Drogen über die Grenze zu verhindern - eine Strategie, die zu Reagans Zeiten im Zentrum des Antidrogenkampfes stand.

Kritiker des Plans merken an, daß Bushs und Bennetts Vorschläge eher dazu geeignet sind, die nach härteren Strafen rufende Öffentlichkeit zu beruhigen als den Problemen der Drogenabhängigen zu begegnen. Robert Newman, Präsident eines großen Krankenhauses in New York, bezeichnet es als „außerordentlich und unverständlich“, daß der Plan nicht das Ziel enthält, die medizinische Behandlung aller Abhängigen, die dies wünschen, sicherzustellen, und New Yorks stellvertretender Gouverneur Stan Lundine äußerte die Ansicht, daß die Prioritäten „andersherum“ gesetzt werden müßten.

Stefan Schaaf