Weizsäcker schweigt zur Lummer-Affäre

■ Keine Stellungnahme vom Ex-Bürgermeister Berlins / Lummer bleibt straffrei: Alles schon verjährt

Berlin (taz) - Das Bundespräsidialamt verweigert jede Stellungnahme zu den Berichten, daß Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner Amtszeit als Regierender Bürgermeister in Berlin die Ostkontakte seines damaligen Innensenators Heinrich Lummer gedeckt hat. Wie gestern berichtet, unterhielt der heutige CDU-Bundestagsabgeordnete Lummer jahrelang intime Beziehungen zu einer Agentin des Ostberliner Staatssicherheitsdienstes. Obwohl Weizsäcker über die Eskapaden seines obersten Verfassungsschützers informiert war und um die Erpressungsversuche des Stasi wußte, hatte Lummer im Amt bleiben dürfen. Aus Angst vor den politischen Folgen wurde der Skandal auf höchster Ebene vertuscht. Der einzige Kommentar im Bonner Präsidialamt gestern: „Keine Stellungnahme.“

Der frühere Innensenator und stellvertretende Landesvorsitzende der Berliner CDU wird für seine Romanze mit der Ostberliner Agentin Susanne Rau straffrei ausgehen. Die Bundesanwaltschaft hat gegen den strammen Rechtsaußen in der Union kein Ermittlungsverfahren einge-leitet. Im Zusammenhang mit Lum Fortsetzung auf Seite 2

Kommentar auf Seite 8

mers Liebesaffäre ermittelt Generalbundesanwalt Rebmann zwar gegen mehrere DDR-Agenten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) wegen „geheimdienstlicher Agententätigkeit“ - Lummer selbst wurde nur als Zeuge vernommen.

Auch wenn die Karlsruher Anklagebehörde noch anders entscheiden sollte, „Heinrich fürs Grobe“ wird sich trotzdem vor keinem Gericht verantworten müssen. Dank der jahrelangen Vertuschung, an der außer den Amtsleitern des VS, Natusch und Wagner, die Regierenden Bürgermeister von Weizsäcker und Diepgen beteiligt waren, sind mögliche strafrechtliche Schritte gegen den Republikanerfreund Lummer inzwischen verjährt.

Daß der politisch Verantwortliche eines Nachrichtendienstes vom Ostberliner Staatssicherheitsdienst erpreßt werden sollte, ist für den stellvertretenden Leiter des Bremer Verfassungsschutzes, Lothar Jachmann, „einzigartig“. Normalerweise wäre eine Person, die wie Lummer dermaßen „vorbelastet“ war, als Leiter eines Landesamtes „nicht tragbar“ gewesen. Der frühere Leiter des Kölner Bundesamtes, Richard Meier, äußerte sich verwundert, daß die Bundesanwaltschaft nicht gegen Lummer direkt ermitteln wolle. Eine langjährige Beziehung zu einem prominenten

Politiker wäre „ein idealer Fall für einen Nachrichtendienst“.

Der Fall Lummer wird nicht nur den Berliner Untersuchungsausschuß am Donnerstag beschäftigen. Die „zentrale Frage“, die SPD-Mitglied Wilfried Penner in der nächsten Sitzung der Bonner Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) stellen will, wird wie in Berlin lauten: „Warum konnte Herr Lummer mit einer solchen Belastung und möglichen Erpreßbarkeit Innensenator werden oder im Amt verbleiben?“ Die Frage, so Penner, richte sich über die Behörden auch an die früheren Regierenden Bürgermeister Weizsäcker und Diepgen. Diepgen versuchte gestern den Fall seines Parteikollegen tiefzuhängen. Die Berliner CDU will sich erst einmal „sachkundig machen“. Zu „Aufgeregtheiten“ gebe es keinen Anlaß. Wann er selbst vom Tete-a-tete des ehemaligen Innensenators erfahren habe, wollte der Ex-Regierende nicht verraten. Da er seine „Kenntnisse in Amtseigenschaft erhalten“ habe, könne er keine Auskunft geben.

Wolfgang Gast