TAZ LÄSST UNS ALLEINE!

■ Die Redakteure sollten auch mal in den Knast kommen!

Ihr gebt Euch sehr viel Mühe, den Gefangenen das Leben im Knast zu erleichtern, indem Ihr ihnen einiges ermöglicht, was sonst nicht möglich wäre, und auch Hilfe auf materieller Basis kann sehr wichtig sein. Wo es bei der taz noch hängt, ist in der Tat die direkte knastbezogene Öffentlichkeitsarbeit.

Ihr hängt Euch über Wochen an China (sehr wichtig, zugegeben), beklagt Euch über Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern, ohne die im eigenen Land zu sehen (zugegeben: man kann das Hier nicht ohne das Dort sehen), andererseits macht Ihr einmal im Monat eine Knastseite. Es ist sehr schwer da reinzukommen, weil ja schließlich eine ganze Menge Gefangener mittlerweile zu den kämpfenden Gefangenen gehören und jeder etwas sagen möchte.

Was ich vermisse, ist die Arbeit Eurer RedakteurInnen, die hier versuchen sollten, den Wahrheitsgehalt der gemachten Angaben zu überprüfen und dann eine eigene Reportage hierüber zu machen und auch zu drucken. Wichtig wäre, daß Eure RedakteurInnen nicht den Blick dafür verliren, was wichtig ist und was wohl zu weit hergeholt ist. Dies kann aber auf Dauer nicht ausbleiben, wenn Eure RedakteurInnen nur einmal im Monat auszuwählen haben, was für Beiträge von welchen Knästen diesmal in der taz erscheinen sollen, damit keiner der Knäste benachteiligt wird. (Anmerkung: Die Redaktion hat mit der Knastbriefseite nichts zu tun.) Zugegeben: Auch dies ist wichtig, denn nichts empfindet ein Gefangener (mit begrenztem Horizont) schlimmer als eine Benachteiligung.

Eure RedakteurInnen fahren und fliegen an jeden beliebigen Ort auf dieser Welt, wo sich gerade etwas Sensationelles tut. Andererseits waren vor Eurer Haustür in der Plötze 45 Frauen im Hungerstreik, Frauen, die zu den sogenannten sozialen Gefangenen zählen, die nichts mit RAF und Widerstand zu tun haben. Sie haben bis zu sieben Wochen gehungert, um eine bessere Haftsituation durchzusetzen, was ihnen am Ende auch gelungen ist - nur zu welchem Preis? In der JVA Butzbach mußten zwei Gefangene sterben, einen höllischen Tod, um bessere Haftbedingungen durchzusetzen.

Hier muß von Beginn an die Hilfe und die absolute Unterstützung von außen kommen. Wir „Normalgefangene“ haben draußen keine Lobby, die uns unterstützt wie die Widerstandsbewegung, die von ihren GenossInnen unterstützt werden. Hier muß die Hilfe dann von anderer Seite kommen, zum Beispiel von der taz.

Warum wird nicht mal öffentlich über unzumutbare Haftbedingungen berichtet. Wenn doch mal berichtet wird, dann, weil gerade mal einer bei einer Aktion gestorben ist. Kurz: Was ich vermisse ist einfach, daß Eure RedakteurInnen in die Knäste reingehen und da darauf bestehen, mit den Gefangenen reden zu können, die auch bereit sind, den Mund aufzumachen und nicht irgendwelche beschissenen Ängste vor Repressalien, Urlaubssperre oder sowas haben. (...)

Ich hoffe, Du (gemeint ist Jan Harms) nimmst mir meine Kritik an der taz in bezug auf Knastarbeit nicht krumm. Sie betrifft nur Eure RedakteurInnen. Wir alle wissen, daß Du eine ganze Menge tust; die zuständigen RedakteurInnen könnten das Bild vervollständigen und Dich und Axel Simon sehr unterstützen, wenn auch sie etwas mehr für Verständis werben würden.

Wir alle brauchen eine neue Chance und die kann uns nur von den Mitmenschen draußen gegeben werden, denn der Knast mit diesem System und korrupten PolitikerInnen und verlogene und heuchlerische Menschen können uns nicht bessern. Sie zeigen uns den falschen Weg.

Joachim Hübner, Schwalmstadt