„Wer mit uns reden will, kann kommen“

Am Vorabend der Wahlen in Südafrika beschwört Apartheid-Chef Frederick de Klerk die Vorherrschaft der weißen Minderheit / Letzte Wahlveranstaltung der „Nationalen Partei“ bleibt lau / Protestmarsch der Anti-Apartheid-Opposition  ■  Aus Johannesburg A. Seibel

Der Marsch endete Montag abend vor der Stadthalle von Johannesburg. Nur wenige Meter trennten die Demonstranten von ihrem Ziel, dem weißen Staatspräsidenten Frederick de Klerk, dem die rund 120 Gewerkschaftsmitglieder der Anti -Apartheid-Opposition einen offenen Brief (siehe Seite 8) überreichen wollten. Doch dazwischen lagen Welten und standen die Sicherheitskräfte, die ihren Teil dazu beitrugen, daß der neue Mann an der Spitze des Staates am letzten Tag des Wahlkampfes unbelästigt vor denen reden konnte, die ihn auch dieses Mal wählen werden, vor der weißen Minderheit des Landes. Dennoch wollte unter den weniger als tausend AnhängerInnen keine rechte Stimmung aufkommen - keine Begeisterung, keine Fähnchnen, die sonst geschwenkt werden, keine Zwischenrufe. Sowohl die Einführungsrede Rölof „Pik“ Bothas, des Außenministers, als auch die de Klerks war von seltener Monotonie in Gestik und Mimik, die in krassem Gegensatz zur auf die Spitze getriebenen Rethorik stand. De Klerk, so Botha, sei der „neue Führer“ für Südafrika. Braver Applaus. De Klerk selbst nannte sich einen „neuen Führer der revitalisierten NP“. Südafrika stünde am Kreuzweg seiner Geschichte, und nur die Nationale Partei garantiere den richtigen Weg. Wende das Land sich nach links, so wie die Demokratische Partei es wolle, dann würden Hoffnung und Sicherheit der Weißen und „aller Minoritäten“ zerstört, und die „schweigende Mehrheit“ des Landes in die Arme Radikaler getrieben. Gebe es einen Rechtsruck, wären „wachsende Konflikte, Isolation und Machtkämpfe“ die Folge.

Während die monumentale Orgel hinter de Klerk die burische Nationalhymne in den Raum donnerte, beschrieb er die bevorstehende Herausforderung: „Wir wollen ein neues Südafrika, in dem jeder seine Rechte verwirklichen kann, ohne Vorherrschaft oder Ungerechtigkeit.“ Allein, die Entwicklung in vielen afrikanischen Staaten habe gezeigt, daß das Prinzip „Ein Mensch, eine Stimme“ keine LÖsung gebracht habe. Das würde unweigerlich zur Beherrschung der Weißen und anderer Minderheiten führen. Da klatschen die Weißen ein bißchen kräftiger als sonst.

Als er von Gruppeninteressen spricht, deren „Recht auf eigenem sozialem Leben, eigenen Schulen und Wahl des Lebensraumes - in einem Wort: Gruppensicherheit“, hat er den Lebensnerv der weißen Minderheit im Lande getroffen. Da applaudieren auch die beiden Teenager in der vordersten Reihe.

Oben auf der ansonst leeren Empore überblicken Sicherheitsbeamte den Raum. „Für ein starkes und gerechtes Südafrika“ steht auf einem Transparent, das unter ihnen hängt. Die Weißen wissen um ihre außenpolitische Isolation und die Auswirkungen zukünftiger finanzieller Sanktionen auf ihre schon angegriffene Oekonomie. Da muß man dem Ausland rhetorisch - Flagge zeigen. Ungezählt, wie oft de Klerk von Zukunft, Chancen, Gerechtigkeit, Fairneß, Möglichkeiten, Dialog und Verhandlungsbereitschaft redet, aber mit wem? „Wir müssen die schweigende Mehrheit in Südafrika aktivieren und die Radikalen zum Schweigen bringen“. Schließlich habe er schon mit schwarzen, farbigen und indischen Führern breite Diskussionen geführt. Namen nennt er wohlweislich nicht.

„Wir“, so de Klerk am Schluß seiner Rede, „wir jedenfalls sind aufgeschlossen. Wir sind positiv eingestellt. Wenn jemand mit uns reden will, kann er kommen.“

Doch statt Dialog erwartete die 120 Gewerkschafter der Oppositionsbewegung draußen vor der Tür die südafrikanische Realität. Sie konnten von Glück reden, daß sie nicht - wie in den letzten vier Wochen der Kampagne zivilen Ungehorsams andauernd geschehen - von der Polizei brutal niedergeknüppelt und festgenommen wurden. Ihren offenen Brief an de Klerk mußten sie einem Polizeioffizier übergeben, bevor sie, eskortiert von der internationalen Presse, ins Hauptquartier des Gewerkschaftsdachverbandes COSATU zurückzogen.

Schwache Streikbeteiligung

An dem Generalstreik, zu dem die Massendemokratische Bewegung (MDM) Südafrikas - ein informeller Zusammenschluß aus Anti-Apartheid-Gruppen - aufgerufen hatte, haben sich am Dienstag morgen nur wenige schwarze Bewohner des Landes beteiligt. Lediglich in der Provinz Natal wurde der Aufruf zum Protest gegen die am Mittwoch unter Ausschluß der schwarzen Mehrheit des Landes stattfindenden Parlamentswahlen massiv befolgt. Aufruf zum Streik ist in Südafrika verboten. Die Bewegung „Schwarzes Bewußtsein“ (BC) hat die schwarze Bevölkerung indirekt aufgefordert, am Wahltag sowie am 12. September, dem Todestag des 1977 in Haft verstorbenen BC-Führers Steve Biko, ihre Arbeit niederzulegen. Beobachter gehen davon aus, daß die geringe Streikbeteiligung durch die Unsicherheit über das genaue Datum des Streiks erklärt werden kann. (afp)