Budapest: Das Mißtrauen ist groß

In den ungarischen Lagern für DDR-Flüchtlinge wächst die Unsicherheit  ■  Aus Budapest Heide Platen

„Scheiße“ - das ist der fast einhellige Tenor nach den täglichen Hinhalte-Pressekonferenzen von Malteser -Hilfsdienst und bundesdeutschem Auswärtigen Amt in Budapest. Sie finden immer noch, ob mit oder ohne Nieselregen, auf der Plattform der Freitreppe der „Kirche der Heiligen Familie“ der Pfarrei Szugliget statt.

Am Montag gleich zweimal. Die Produktion von Null- und Tartaren-Meldungen ist vorprogrammiert - oder beabsichtigt. Das Mißtrauen nach allen Seiten ist groß. Das Chaos ist perfekt. In den Lagern, in denen sich in den letzten zwei Tagen - eben gerade wegen des von ungarischen Medien verbreiteten Optimismus - Gelassenheit und Vertrauen auch bei den aufgeregten und uninformierten Neuankömmlingen ausbreitete, gären wieder Unruhe und Angst: „Die schicken uns zurück“, das Horvath-Interview, das bruchstückweise bekannt wird, wird erst gar nicht geglaubt. In aller Besorgnis gibt es am Montag abend noch die Hoffnung, es sei vielleicht doch nicht der neueste Stand der ungarischen Regierungsposition.

Dennoch, die Meldungen beunruhigen. Die DDRler fühlen sich mehr denn je als Spielball der internationalen Politik, der ökonomischen Ost-West-Interessen. Einige verstehen das, die meisten nicht. Eine blonde Frau in Jeansjacke hält auf der Straße vor der Kirche trotzige Reden. Sie war Funktionärin und geißelt die Volkswirtschaft der DDR. Daß sie fliehen wollte, war ihr eigentlich vor ihrer Ungarn-Reise nicht klar: „Ich habe nur mit dem Gedanken gespielt.“ Sie sei in das Lager gekommen, um mal zu gucken, und dann begeistert sie sich. Da habe ein Typ von der BRD-Botschaft gesessen. Und der habe, im krassen Unterschied zur DDR, wirklich zugehört: „Der hat uns ernst genommen“, sagt sie immer wieder. Das habe bei ihr „innen was aufgebrochen“. „Ich konnte auf einmal reden und hatte keine Angst mehr.“ Woran die DDR-Wirtschaft kranke, darüber habe sie sich immer wieder Gedanken gemacht, vieles darüber studiert, aber nicht gewagt, etwas zu sagen, oder gar zu ändern gewußt.