Einmal Separee pro Genehmigung

■ Amtsehre gerettet: Staatsanwalt stellte Ermitttlungen gegen Delmenhorster Amtsleiter wegen Bestechlichkeit ein

Die Delmenhorster Stadtväter können aufatmen. Denn einer der ihren, der Leiter des Ordnungsamtes, Alfred Kunze, braucht keine Angst mehr vorm Staatsanwalt zu haben. Das Ermittlungsverfahren wegen Bestechlichkeit gegen ihn ist eingestellt worden. Ungeschoren kann Kunze nun der nahen Pensionierung entgegensehen.

Zur Erinnerung: Vor einem halben Jahr ging ein Prozeß zu Ende, der in Delmenhorst Stadtgespräch war. Der Gastwirt Burghard Klettke hatte Kunze der Bestechlichkeit beschuldigt und mußte sich deshalb wegen Beleidigung des Amtsleiters verantworten. „Der Angeklagte hat den Wahrheitsbeweis für seine Behauptungen geführt“, sagte Staatsanwalt Nils Tumat in seinem Plädoyer. Mit einem lupenreinen Freispruch ging Klettke aus dem Saal. Wenig später nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den Amtsleiter auf.

Aber: „Die meisten Straftaten, die Herrn Kunze zur Last gelegt wurden, sind verjährt“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft gestern, und: „was noch nicht verjährt ist, das konnte ihm nicht bewiesen werden.“

Dabei waren die Vorwürfe, denen die Staatsanwaltschaft nachzugehen hatte, nicht von Pappe. Wenn Gastwirte und Schausteller vom Ordnungsamt Genehmigungen für ihre Betriebe haben wollten, dann mußten sie sich dem Amtsleiter Kunze gegenüber erkenntlich zeigen. Er soll sich das Recht genommen haben, in den Lokalen der Stadt zum Nulltarif zu konsumieren. Nicht nur Bier und Kaffee, sondern auch chinesische Menus und Champagner flaschenweise. In der Nachtbar „Incognito“ soll Kunze auch die Dienste von Frauen im Separee unentgeltlich genossen haben. Das alles wurde in dem Beleidugungsprozeß gegen den Kneipier Klettke bezeugt.

Der Streit zwischen den Delmenhorster Gastwirten und dem Amtmann währt schon jahrelang. Schon einmal hatte auch die Staatsanwaltschaft gegen den Amtsleiter ermittelt. Das war 1985, als die barmherzige Verjährung noch nicht eingetreten war. Auch damals stellten die Staaatsanwälte ihre Bemühungen nach kurzer Zeit wieder ein.

Doch der Gastwirt Burghard Klettke setzte sich selbst auf die Spur des ehrenwerten Amtmanns und kam schnell zu einem wichtigen Faustpfand: die eidesstattliche Versicherung einer Bardame des „Inkognito“, die vergeblich versucht hatte, Kunze zum Begleichen seiner Rechnung von über 500 Mark zu bewegen. Als Klettke diese Erklärung hatte, beschwerte er sich über den Amtsleiter bei dessen vorgesetztem Dezernenten. Die Reaktion kam prompt und doppelt: Erstens zeigte ihn die Stadt wegen Beleidigung ihres Bediensteten an.

Und zweitens erhielt er über einen guten Bekannten des Amtsleiters eine harsche Botschaft. Sie lautete: „Wir mieten uns eine Truppe und hauen deine Kneipe zusammen“, verbunden mit der Forderung, die eidesstattliche Erklärung der Bardame wieder herauszugeben. Doch Klettke war auf Draht. Unbemerkt nahm er das Gespräch auf Tonband auf. In der Gerichtsverhandlung, wo er sich wegen Beleidigung des Amtsleiters verantworten mußte, wurde der heimliche Mitschnitt vorgespielt.

Auch die Bardame blieb vor Gericht bei ihrer Aussage: Kunze habe, als er bezahlen sollte, zu ihr gesagt: „Ich bin der Kunze vom Ordnungsamt, ich bezahle nicht. Wirf die Rechnung in den Papierkorb, sonst kriegt deine Chefin Ärger“. Doch die Chefin, ebenfalls vor Gericht gefragt, wußte von diesen Vorgängen rein gar nichts. Auf dieses beredte Schweigen machte sich das Gericht folgenden Reim, nachzulesen in der Urteilsbegründung: „Es ist nicht auszuschließen, daß diese Zeugin, die immer noch die Gaststätte Incognito betreibt, Angst vor Repressalien der Stadt Delmenhort hat, falls sie eine für den Zeugen Kunze nachteilige Aussage machen würde.“

Durch dick und dünn haben die Vorgesetzten Kunzes zu ihm gehalten. Burghard Klettke, der Kneipier mit Zivilcourage, ist verbittert: „Wenn die Position des Beamten einen bestimmten Dienstgrad übersteigt, nimmt die Fürgsorgepflicht der Vorgesetzten Formen an, die man als Deckung von strafbaren Handlungen bezeichnen kann. Da sind Mechanismen zum Tragen gekommen, die man sonst nur vom organisierten Verbrechen kennt.“

mw