Kein Platz für Obdachlose

■ Gemeinnützige Wohnungsunternehmen brachten mit „MietTips“ knapp 2.000 Wohnberechtigte mit Dringlichkeitsschein unter / Hauptsächlich aber nur Familien aus zu kleinen Wohnungen umquartiert

Eine auf den ersten Blick positive Bilanz hinsichtlich der Unterbringung von Personen mit anerkannt dringendem Wohnungsbedarf zog gestern die von acht gemeinnützigen Wohnungsunternehmen gegründete „MietTips„-Gesellschaft. Danach konnten auf der Basis eines zwischen ihnen und dem Land Berlin geschlossenen Kooperationsvertrages im ersten Halbjahr 1.942 sogenannte „Dringlichkeitsfälle“ mit Wohnraum versorgt werden.

In dem im Januar unter dem alten CDU-Senat unterzeichneten Vertrag verpflichteten sich die meist städtischen Gesellschaften, in diesem Jahr insgesamt 3.500 Inhaber von Wohnberechtigungsscheinen mit Dringlichkeit unterzubringen. Zur Jahreswende war man noch davon ausgegangen, daß rund sieben Prozent des Wohnungsbestandes der Unternehmen durch Mieterwechsel leersteht. Wie es gestern hieß, liegt diese Fluktuationsquote jetzt nur noch bei 4,2 Prozent.

Nehme man die etwa 45.000 Wohnungen, für die ein Besetzungsrecht besteht, werde sich die Quote vermutlich sogar auf magere 3,5 Prozent einpegeln. Indes ergibt eine Aufschlüsselung, daß die Gesellschaften im letzten halben Jahr gerade die am schwersten zu vermittelnden Wohnungssuchenden, die alleinstehenden Obdachlosen, weitgehend links liegenließen. An der Spitze der versorgten Dringlichkeitsfälle standen mit 32 Prozent Familien mit einem oder zwei Kindern, die zum Teil nur eine größere Wohnung brauchten, so der „MietTips„-Sprecher Horst Riese.

Das hartnäckige Gerücht, daß Aus- und Übersiedler bevorzugt werden, stimmt nach den vorgelegten Zahlen freilich nicht. Nur 41 Prozent der knapp 2.000 vergebenen Behausungen seien von Angehörigen der fraglichen Gruppe bezogen worden, so Riese. Exakt 51 Prozent der Belegungsrechts-Wohnungen habe man Berlinern oder westdeutschen Wohnungssuchenden überlassen. Nach den Angaben der GSW-Vertreter vergab dieses Unternehmen von den im ersten Halbjahr zusammen 1.200 Wohnungen gar nur elf Prozent an Aus- und Übersiedler; ebenfalls bei elf Prozent habe die Quote auch bei Ausländern gelegen.

GSW-Geschäftsführer Luckow führte weiter aus, die GSW habe sich in einem „Akt der Solidarität“ dazu verpflichtet, in den verfügbaren Altbauten im internen Austausch mit den anderen Gemeinnützigen über 1.200 Dringlichkeitsfälle mit billigem Wohnraum zu versorgen. Ziel der Übung: die bessere „soziale Durchmischung“ einzelner Neubau-Wohnanlagen.

Anderer Ansicht ist die AL. Der baupolitische Sprecher und Abgeordnete Michael Michaelis auf Anfrage: „Die Gemeinnützigen setzen sozial Schwachbrüstige mit Problemfällen gleich - um letztere dann abzuwimmeln. Das geschieht auf Kosten der Leute, die wirklich Wohnungen suchen, zum Beispiel der immer größer werdenden Gruppe der Obdachlosen.“ Er plädierte deshalb für eine Abschaffung des Kooperationsvertrages. Anstelle dessen wolle die AL eine staatliche Zugriffsmöglichkeit auf den gesamten Sozialwohnungsbestand der Gemeinnützigen. Der Abgeordnete: „Die Wohnungslosen sollen da verstärkt rein. Das sind doch die, denen der Staat am meisten helfen muß.“

thok