Kugeln fehlen - AKW Ohu am Netz

Bayerisches Umweltministerium erteilt nach dem Störfall wieder Genehmigung für „Pannenreaktor“ an der Isar / Noch mindestens neun Kugeln befinden sich im Reaktor  ■  Aus München Luitgard Koch

München (taz) - Der „Pannenreaktor“ OHU I bei Landshut geht wieder ans Netz. Bayerns Umweltminister Alfred Dick (CSU) hat gestern die Genehmigung zur Wiederinbetriebnahme erteilt. Nach wie vor befinden sich jedoch im Reaktor nach dem Störfall Ende Juli dieses Jahres noch mindestens neun Edelstahlkugeln. Die Kugeln mit einem Durchmesser von acht Millimetern stammen aus einem zerstörten Kugellager. Zu dem gravierenden Zwischenfall, bei dem 67 Kugeln mit einem Gewicht von zwei Gramm direkt in den Reaktorkern fielen, kam es während eines routinemäßigen Brennelementewechsels. Fast zwei Wochen lang verheimlichten die Betreiberin Bayernwerke AG und das bayerische Umweltministerium diesen Vorfall. Gestern nun mußte Umweltminister Dick zugeben, daß die genaue Anzahl der verlorengegangenen Kugeln nicht „verifizierbar“ sei. Normalerweise befinden sich im betroffenen Kugellager nämlich 131 derartiger Kugeln. Im baugleichen Ersatzkugellager waren es jedoch nur 129.

Nach dem Vorfall befanden sich noch 62 Kugeln im Lager. Im Umweltministerium wird spekuliert, daß bei früheren Wartungen das Kugellager nicht mehr vollständig aufgefüllt wurde. Deshalb gehen die Beamten jetzt davon aus, daß maximal 69 Kugeln aus dem Lager sprangen. 60 davon konnten nach Angaben des Ministeriums geborgen werden. Über den genauen Verbleib der restlichen Kugeln herrscht jedoch nach wie vor Unklarheit. Der Behauptung, daß die Kugeln, wie die Bayernwerke bereits vor einer Woche meldeten, in einen Filter gespült worden seien, widersprach das Umweltministerium.

Auszuschließen sei jedoch, daß keine der Kugeln in sicherheitsrelevanten Bereichen und vor allem nicht im Reaktorkern läge. Falls eine der Kugeln doch in die Brennelemente gespült würde, käme es zwar, wie auch der Experte für Thermodynamik, Prof.Mayinger, zugeben mußte, zur Beschädigung der Brennstäbe. Dieser Unfall sei dann aber frühzeitig feststellbar, versuchte Mayinger zu beruhigen.

Das „Kugeldesaster“ war jedoch nicht die einzige Panne der vergangenen Zeit. Am neunten August wurde bei einem Kontrollgang festgestellt, daß eine der beiden Nebenkühlwasser-Pumpenkammern bis zu einem halben Meter hoch mit Kühlwasser überflutet war.

Eine zweite „Sumpfpumpe“, die für einen solche Störung automatisch anlaufen sollte, funktionierte nicht. Grund: Ein Plastikbeutel blockierte den Schwimmschalter, der die Pumpe anwerfen sollte. Ein weiterer Schwimmschalter, der bei derartiger Überflutung einen Alarm auslösen sollte, war durch einen Kontaktfehler ausgefallen. Schuld an diesem Versagen seien zwei Bodenreiniger einer Fremdfirma, so Dick. Zu dem Vorwurf des 'Spiegel‘, wonach die Absperrventile in OHU seit Jahren zu schwach seien, sagte Dick, dieser „Montagefehler“ sei längst behoben.

„Wir haben keinen Grund, etwas zu verbergen“, wehrte sich der Umweltminister. Und ebenso wie die damals in den Rohrleitungen des Reaktorkerns im AKW Gundremmingen verschwundene zehn Zentimeter große Schraube stören jetzt auch die verschwundenen Kugeln weder die Betreiber noch das Ministerium.