Kontrollierte Kontrolleure

■ Der neue Berliner Parlamentsausschuß für den Verfassungsschutz soll grundsätzlich öffentlich tagen / Ein Novum für die Bundesrepublik / Kritik von den Berufslauschern

Der neueingerichtete „Ausschuß für Verfassungsschutz“ des Berliner Abgeordnetenhauses soll künftig das skandalträchtige Landesamt für Verfassungsschutz an die Leine legen und seine Arbeit transparenter machen. Im vierzehntägigen Tagungsrhythmus sollen „die schwerwiegenden Fehlentwicklungen beim Landesamt für Verfassungsschutz wirksam, ökonomisch und weithin öffentlich parlamentarisch aufgearbeitet werden können“. Das versprach der Begründungstext, als der neue Senat den entsprechenden Gesetzesentwurf vorlegte.

Der Ausschuß ist für Berlin wie für die BRD ein Novum. In anderen Bundesländern existiert ebenso wie in Bonn allenfalls eine handverlesene und streng geheim tagende Parlamentarierrunde als sogenannte Parlamentarische Kontrollkommission (PKK), die sich von den Diensten unterrichten läßt. Im Gegensatz dazu tagt der neue Berliner Verfassungsschutzausschuß grundsätzlich öffentlich. Darüber hinaus kann das Berliner Abgeordnetenhaus den neunköpfigen Ausschuß auch als Untersuchungsausschuß mit einem bestimmten Auftrag einsetzen.

Für SPD und CDU sitzen jeweils drei Abgeordnete, für die AL zwei und für die „Republikaner“ einer, der umstrittene Noch -Landesvorsitzende Andres, im neuen Gremium. Ein Posten der CDU ist allerdings schon wieder vakant, nachdem der Ausschußvorsitzende Klaus Franke die Sicherheitsüberprüfung nicht bestanden hat.

Die Initiative zum „fünften Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Landesamt für Verfassungsschutz“, mit der im Juli der Ausschuß gesetzlich verankert wurde, geht auf den heutigen Innensenator Erich Pätzold (SPD) zurück. Früher Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission, mußte Pätzold am eigenen Leib erfahren, wie ungeeignet die 1987 eingerichtete PKK war, um die Umtriebe des Berliner Verfassungsschutzes aufzudecken und abzustellen. Gemeinsam mit seinem SPD-Kollegen Lorenz hatte er sich wiederholt darüber beklagt, daß die Amtsspitze der Berliner Spitzelbehörde der fünfköpfigen PKK wichtige Informationen vorenthalten hatte.

Die Alternative Liste hatte von Anfang an allen Grund, der nichtöffentlichen PKK zu mißtrauen. Unter dem damaligen CDU -regierten Senat war ihr ein Sitz in dem Gremium verweigert worden. Als Ende letzten Jahres bekannt wurde, daß ein V -Mann des Berliner VS selbst das PKK-Mitglied Pätzold bespitzelte, hatte die Stunde für die Berliner PKK geschlagen. Unter Protest verließen die beiden SPD-Vertreter das erlauchte Verschleierungskränzchen.

Die Kollegen vom Verfassungsschutz haben die Einsetzung des Ausschusses äußerst argwöhnisch verfolgt. Den meisten von ihnen gehen die Kontrollbefugnisse der Parlamentarier viel zu weit. Eine Gefährdung des „Quellenschutzes“ und des „Nachrichtenflusses“ monierte im Mai der Vizepräsident des Kölner Bundesamtes, Frisch, bei einer Expertenanhörung. Der frühere Verfassungsschutz-Präsident in Hamburg sah gar die Mitarbeiter des Amtes in Gefahr: „Der Berliner Verfassungsschutz hat sich immer dadurch ausgezeichnet, daß er gut plazierte Quellen im Bereich des internationalen Terrorismus hatte.“ Und diese seien nun gefährdet.

Für den Fall, daß der Ausschluß der Öffentlichkeit nicht gewährleistet werde, hatte der Kölner Vize-Amtschef offen mit der Abkoppelung der Berliner gedroht: In diesem Fall „kann es Probleme mit anderen Dienststellen geben, die dann die Zusammenarbeit mit dem Berliner Amt in Frage stellen“.

Wolfgang Gast