An Özals Regime ausgeliefert

■ Der 32jährige Hüseyin Hami Özsomer war aus einem Istanbuler Gefängnis nach Griechenland geflohen

Athen/Istanbul (taz) - Nur vier Wochen nach seiner Flucht aus einem türkischen Gefängnis ist der politische Häftling Hüseyin Hami Özsomer wieder in den Händen seiner Folterer. Özsomer hatte es geschafft, sich nach Griechenland zu retten. Am vergangenen Donnerstag lieferte ihn die griechische Regierung an die Türkei aus.

Nach Auskunft der „Solidaritätsvereinigung zwischen den Völkern der Türkei und Griechenlands“ ist dies die erste nachweisbare Auslieferung von Griechenland an die Türkei seit dem Winter 1980. Damals - wenige Monate nach dem Militärputsch in der Türkei - war man in Athen mit Slogans wie „Wir sind alle Türken“ auf die Straße gegangen. Seit 1981 flüchteten etwa 6.000 Personen aus politischen Gründen aus der Türkei Richtung Griechenland.

Der 32jährige Özsomer, Mitglied von „Dev-Sol“ (Revolutionäre Linke), wurde 1979 zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Trotz eines Anfallleidens beteiligte sich Özsomer an dem Hungerstreik im vergangenen August. Vor einem Monat gelang ihm bei einem Krankenhausaufenthalt die Flucht aus dem Gelände des Hochsicherheitsgefängnisses Bayrampasa in Istanbul. Durch den Grenzfluß Evros erreichte er am 28.August griechisches Staatsgebiet, wo er festgenommen, verhört und in das Gefängnis von Alexandroupolis überstellt wurde. Dort traf er einen weiteren Flüchtling, die 27jährige A.A., der er seine verzweifelten Verusche, die griechische Polizei von der Wahrheit seiner Angaben zu überzeugen, schilderte.

„Er war völlig erschöpft. Er sagte mir, daß er ihnen alle Daten gegeben habe. Er erklärte ihnen, daß er in der Türkei politischer Gefangener sei und dort gesucht werde.“ Während des Verhörs erlitt er einen epileptischen Anfall und mußte für 24 Stunden ins Spital gebraucht werden.

Özsomer droht in der Türkei die Todesstrafe. Er ist einer der Angeklagten im Istanbuler Dev-Sol-Prozeß, wo er beschuldigt wird, den „gewaltsamen Umsturz der bestehenden Ordnung“ betrieben zu haben. Nach Angaben von anderen Gefangenen befindet Öszomer sich jetzt in Isolationshaft im Istanbuler Gefängnis Bayrampasa.

Der griechische Minister für öffentliche Ordnung begründet die Auslieferung damit, daß Özsomer keinen Asylantrag gestellt habe.

Im griechischen Parlament richteten sowohl die Pasok als auch die „Linkskoalition“ eine Anfrage an den verantwortlichen Minister, der aus den Reihen der Nea Demokratia kommt: „Welchen Zielen dient die Abschiebung des türkischen Mitglieds der Dev Sol und welcher Handel wurde mit den Behörden und der Regierung der Türkei betrieben?“ Gestern abend fand in Athen eine Protestkundgebung statt. Nach einer Untersuchung der Vorgänge bei den lokalen Polizeibehörden wird Fortsetzung auf Seite 2

FORTSETZUNGEN VON SEITE 1

sich in ein bis zwei Wochen das griechische Parlament mit der Abschiebung Özsomers zu befassen haben.

Der Zeitpunkt der Abschiebung gibt zu denken: Vor zwei Wochen fand in der südtürkischen Stadt Antalya ein Treffen der „Europäischen Demokratischen Union“ statt. Dort führten der türkische Ministerpräsident Turgut Özal und der Parteivorsitzende der Nea Demokratia, Konstantinos Mitsotakis, ein zweistündiges Gespräch.

Bestimmendes Thema war dabei nach offizieller Darstellung der Konflikt um Zypern. In den Büros der „Solidaritätsvereinigung zwischen den Völkern und der Türkei und Griechenlands“ glaubt man, daß mit Özsomer ein Testfall inszeniert wurde, um die Reaktionen der Öffentlichkeit auf die Abschiebung eines politischen Häftlings auszuloten. Die 400 türkischen Flüchtlinge

im Lager Lavrio, etwa 70 Kilometer südlich von Athen, zittern vor den möglichen Folgen der griechisch-türkischen Annäherung.

Robert Stadler/Ömer Erzeren