Wo Linguisten hellhörig werden könnten

■ Gespräch mit Udo Schwingel, Manager bei Jacobs-Suchard, über Betriebslinguistik und Wirtschaft / Nachlese zum Linguistischen Kolloquium in Bremen

taz: Herr Schwingel, Sie waren Teilnehmer für den Bereich Wirtschaft beim Linguistischen Kolloquium. Sie wissen wahrscheinlich, was ein Betriebslinguist ist?

Udo Schwingel: Im weitesten Sinne: ja. Ein Betriebslinguist ist einer, der Sprachwissenschaft studiert hat, der im Umgang mit Sprache „perfekt“ ist, und der nun helfen soll, in der Industrie der Sprache wieder mehr Gewicht zu geben.

Es gibt in der EDV den Begriff EVA. Das heißt Eingabe, Verarbeitung, Ausgabe. Man kann es auch hochdeutsch ausdrücken: input des output. Einer sendet eine Information ab, die irgendwo richtig ankommen soll. Und dafür das rechte Vokabular und die richtige Form zu finden, das ist wohl etwas, was die Linguisten anbieten wollen.

Wieso eigentlich?

Man kann den Eindruck gewinnen, daß die Elfenbeinforschung in der Sackgasse ist. Und daß sie

neue Betätigungsfelder sucht. Außerdem: Es gibt ja heutzutage Betriebspsychologen, Betriebssoziologen, Betriebsphilosophen, Betriebsärzte, Betriebsräte, Datenschutzbeauftragte, Umweltschutzbeauftragte, warum soll es keinen Betriebslinguisten geben?

Also die Wirtschaft hat Interesse an Sprache?

Ja sicher! Klar! Wir müssen unsere Botschaft ja auch verständlich machen. Werbung muß ja irgendwo verständlich sein!

Nun hat die Wirtschaft ja nicht unbedingt sehnsüchtig auf Betriebslinguisten gewartet.

Nein, sicherlich nicht. Auf dem Kolloquium wurde ja auch der Satz geprägt: Bedürfnisse müssen nicht geweckt, sondern bewußtgemacht werden. Da müßten sich die Linguisten jetzt bemühen, etwas Marketing und Public-Relation zu betreiben, um den andern Bereichen ihre Kommunikationshilfe schmackhaft zu machen.

Wie könnte das denn bei Jacobs-Suchard aussehen?

Ich kann mir die klassischen Felder Aus-und Weiterbildung vorstellen, auch in der Werbung, in der Dokumentation, in Übersetzungsbereichen oder bei Produktbeschreibungen.

Welches Produkt könnte denn in ihrem Unternehmen beschrieben werden?

Sicherlich jedes, das verkauft werden muß und verkauft werden soll.

In welchen Bereichen genau?

Wir haben ja zwei Großbereiche: Confectionary, Süßwaren, und Beverages, Kaffee und Kaffeegetränke. Und dafür gibt es zwei Forschungsinstitute. Eins in der Schweiz für die Schokoladenseite und für den Kaffeebereich hier in Bremen -Hemelingen. Und ich arbeite ja im Bereich Forschung. Und da muß man Ergebnisse und Produkte publizieren oder weitergeben. Das bedeutet auch, daß Berichte, Protokolle, Memos in einer verständlichen Weise abgefaßt werden.

Sicherlich gibt es da die Möglichkeit, im Rahmen einer Beratung, sich mit den Linguisten auszutauschen und zu sagen: Gib mir mal Hilfestellung! Ich hatte gestern ein schönes Beispiel. Da war ein Wort gewesen, ich glaube: Ausgabenstopp. Und dann hieß es plötzlich: Was hab‘ ich denn darunter zu verstehen, darf ich das jetzt noch oder nicht? Es fehlte eine Information dazu. Da würde ein Linguist hellhörig werden. Aber ob ich dafür nun wirklich einen Linguisten benötige, ist 'ne andere Sache. Es war so schön in Gesprächen mit den Kollegen: Was, wer, Linguistik,

was soll das denn??

Und Sie wissen vermutlich, warum gerade Sie auf das Kolloquium eingeladen worden sind?

Hinterher ist mir das etwas klarer geworden. Irgendwie um drei Ecken herum hat man mich empfohlen, weil bei uns Kommunika

tionsprobleme schon mal auftreten.

Welcher Art?

Es ist immer schwierig, die Arbeiten einer Forschung und Entwicklung gut an den Mann zu bringen.

Können Sie verraten, an was Sie

gerade forschen???

NEIN!! (Lacht herzlich). Ich kann Ihnen nur sagen, daß wir neue Produkte entwickeln und die bestehenden Produkte weiterentwickeln. Vielleicht gibt es etwas auf dem Milka -Testmarkt. Fragen: Claudia Kohlhas