Eiertanz als Solonummer

■ Heute und morgen veranstaltet die Kulturverwaltung eine Anhörung zur Konzeption des Deutschen Historischen Museums / Die SPD kuscht vor Bonn

Dreihundertneunundachtzigste Runde im Eiertanz um das Deutsche Historische Museum - und das alles nur, weil sich die SPD in den Koalitionsverhandlungen mit der AL einst hatte zu kühnen Versprechungen hinreißen lassen: Man wolle „überprüfen“, einigte man sich im März schriftlich. Und zwar Konzeption, Standort und architektonischen Entwurf. Entsprechend tut die SPD-Kultursenatorin der Koalitionsvereinbarung genüge und veranstaltet heute und morgen im Reichstag einen mit 75.000 Mark aus dem Ankaufsetat des DHM zu finanzierenden Überprüfungsvorgang in Sachen „Konzeption“. Weitere Genugtuungsaktionen finden dann zum Standort im Oktober und zur Architektur im November statt.

Bei der jetzigen ersten „Anhörung“ des zu erwartenden SPD -Selbstgespräches (die CDU hat keine Lust, die AL keine Zeit) ist der Selbstrückkopplungs-Pfeifton schon von vorneherein mit einkalkuliert. Planungsunfähigkeit oder Absicht - seit Monaten ist bekannt, daß sich die museumskritische AL-Fraktion an diesem Wochenende geschlossen in Klausur nach Westdeutschland begeben würde und deshalb nicht im Reichstag erscheinen kann. Nächste Panne: Die Einladungen an die Fraktionen gingen erst Ende letzter Woche raus, so daß diese erst am Dienstag auf den Tischen der Abgeordneten liegen konnten. Dritter Schönheitsfehler: Das Protokoll soll der Museumspädagogische Dienst führen, und zwar in Person seines Mitarbeiters Thomas Friedrich. Der aber kann so ganz neutral und interessenlos kaum wirken, hat er doch gerade erst die Kriegs-Ausstellungs -Zeitung des Deutschen Historischen Museums erstellt.

Entscheidend jedoch ist, daß die SPD sich selbst schon längst jeden gedanklichen und zeitlichen Spielraum selbst beschnitten hat. Was den Zeitdruck betrifft, so hat der Bundesinnenminister verlauten lassen, er wolle bis zum 12. Dezember eine Entscheidung haben, ein Wunsch, der der Berliner SPD Befehl ist - obwohl für diese gar kein Grund zur Eile besteht, denn der GmbH-Vertrag läuft erst Ende 1990 aus, und bis dahin könnte sich ja auch in Bonn einiges geändert haben. Und auch die inhaltlichen Gedanken sind bei der SPD mit stierem Blick aufs Geld schon längst nicht mehr frei. Für die 400 Millionen, die Helmut Kohl für Bau und Erstausstattung des Museums springen lassen will, vergißt sie alle eigenen Wünsche.

So bietet die Tischvorlage, die die Kulturverwaltung für heute vorbereitet hat, nur in den Punkten Neues, die Politiker nichts anzugehen hat. Festzulegen, wie und ob Minderheiten, soziale Bewegungen etc. in einem Museum dargestellt werden, wie es die Tischvorlage vorsieht, ist nun wirklich nicht Sache von Politikern. Ansonsten bleibt nur der Wunsch der SPD, an den Namen „Deutsches Historisches Museum“ noch den Zusatz „Forum für Geschichte und Gegenwart“ anzuhängen sowie die Einwendung „der käufliche Erwerb von Objekten sollte sich vorerst aber auf bestimmte Epochen und konzeptionelle Schwerpunkte konzentrieren, auch um in einem gewissen Zeitabstand überprüfen zu können, ob - so wie in der Konzeption vorgesehen - für alle Epochen der deutschen Geschichte eine gleichmäßige, ausreichende ständige Schausammlung mittelfristig aufzubauen ist“. Und schließlich freut man sich in der Tischvorlage noch über eine Reduzierung der ursprünglichen Hauptnutzfläche von 36.000 m2. Man begrüße es deshalb, „daß inzwischen auch die Bundesbaudirektion auf eine Verringerung der zu bebauenden Fläche, die einen größeren Anteil von Grünflächen ermöglichen würde, und auf eine Reduzierung der Hauptnutzfläche unter 30.000 m2 hinarbeitet“. Die kulturpolitische Sprecherin der AL-Fraktion, Sabine Weißler, kommt deshalb zu dem Ergebnis: „Für diese Vorschläge hätte es keines Regierungswechsels bedurft.“

Umgekehrt hatte sich den Sommer über eine Arbeitsgruppe zu diesem Themenkomplex gebildet, bestehend aus Sabine Weißler, Kultursenatorin Anke Martiny, deren Staatssekretär Hanns Kirchner, der kulturpolitischen Sprecherin der SPD, Karin Grewe, und Hans-Martin Hinz, für das DHM zuständiger Mann im Museumsreferat der Kulturverwaltung. Und während für die SPD davon eben nur die Tischvorlage übrig blieb, hat die AL aufgrund der dort geführten Diskussionen ein Kompromißpapier erarbeitet: Demnach fordert die AL neben der Abschaffung des Namens „Deutsches Historisches Museum“ zugunsten des Titels „Europäisches Forum“, daß dieses Wechselausstellungen zu historischen, aber auch zu Gegenwartsthemen, und zwar nicht nur in Berlin, sondern auch in anderen deutschen und ausländischen Städten organisieren sollte. Von einer Sammlung ist in dem AL-Papier überhaupt nicht die Rede, denn die soll es schließlich auch nicht geben. Außerdem ist die AL auch nicht, wie die SPD, an einem schnellen Bau interessiert: Dem DHM sei eine „längere Probephase in geeigneten Interimsräumen zuzumuten, wie dies bei derartigen, auf Dauer angelegten Projekten durchaus üblich ist“.

Doch darüber spricht man bei der SPD nicht. Das „Scheinverfahren, um die AL zu beschwichtigen“, wie der kulturpolitische Sprecher der CDU, Uwe Lehmann-Brauns, die Anhörung bezeichnet hat, nutzt noch nicht einmal zur Beschwichtigung.

grr