: Von Kunstwerken
„Sieben Frauen“ von Thome - ein Film, der nichts taugt ■ Aus Venedig Arno Widmann
Ein südeuropäischer Film sei es mehr als ein nordeuropäischer. Warum? Es sei eine Komödie, ein Film zum Lachen, zum Lächeln mehr noch. So Adriana Altaras, die Hauptdarstellerin in Rudolf Thomes Sieben Frauen. Ich ging mir den Film ansehen: ein Märchen vom Millionenerben, der auf das Geld verzichtet, um die Frau heiraten zu können, die er liebt. Hervorragende Schauspielerinnen. Eine Kamera, die nur wenige Einstellungen verwackelt. Warum taugt der Film nichts? Die einfache Antwort: Rudolf Thome. Er hat nichts zu sagen. Das wäre kein Unglück. Es gibt eine Reihe von guten Regisseuren, die nichts zu sagen haben. Man drückt ihnen ein gutes Drehbuch in die Hand, gibt ihnen hervorragende Schauspieler und einen guten Kameramann, und diese Herren entfalten ungeahnte Kräfte. Weniger ihre eigenen als die der anderen. Thome ist nicht von dieser Art. Er ist Produzent, Regisseur und Drehbuchautor in einem. Er wird nie rauskriegen, was er wirklich kann, wenn er seine Talente nicht einzeln ausprobiert. Vielleicht stellt sich heraus, daß das Beste an ihm der Produzent ist. Warum die Geschichte, die überraschenderweise tatsächlich nur die vorschriftsmäßigen 90 Minuten dauert, 35 Minuten braucht, bis sie anfängt, was all die Idiotien der Handlung sollen, was die gestelzten Schulaufsatz-Dialoge... Es gibt nur eine Antwort: Autor und Regisseur können es nicht besser. Wäre Thome Tischler, kein Mensch käme auf die Idee, diesen wackligen Tisch zu kaufen. Es sei denn, er bemalte ihn und fände einen Galeristen, der ihn als Kunstwerk unter die Leute brächte.
Genau das treiben viele Regisseure. Mein Film kommt nicht in die Gänge? Die Handlung verfranst sich? Meine Dialoge holpern und stolpern? Dummheiten. Ein Kunstwerk wackelt, wo es will. Ihr kapiert das nicht? Ihr seid verseucht. Hollywood hat euch das Gehirn vollgeschissen. Wenn ihr dann einen wirklich guten Film seht, einen, der sperrig ist, Widerstand leistet, meinen nämlich, dann könnt ihr nichts mit ihm anfangen.
Thome hat das nicht gesagt, ich weiß nicht einmal, ob er so etwas sagen würde, aber ich höre es hier am Lido ständig, von Regisseuren und Kritikern, Schauspielern und Zuschauern. Es ist trotzdem Blödsinn. Kino ist vielleicht nicht immer Action, aber eine Industrie ist der Film immer. Es sind seltene Augenblicke, wenn mehr daraus wird. Für die sollte man sich bestimmte Wörter aufbewahren und die überwältigenden 99 Prozent der Kinoproduktion einteilen in brauch- und unbrauchbare Tische. Thomes ist unbrauchbar.
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