Das Narco-Syndrom - eine Gringo-Idee

■ Wie die Wortschöpfung des ehemaligen US-Botschafters in Kolumbien, Lewis Tambs, Karriere machte Ursprünglich als Diffamierung der Guerillabewegung gedacht, machte sich das Präfix bald selbständig

Bogota (taz) - Lewis Tambs hatte als erster die Idee. Der US -Botschafter, der sich Anfang der achtziger Jahre in der Hauptstadt Bogota aufführte wie die spanischen Vizekönige während der Kolonialzeit, kam auf ein griffiges Wortspiel, das zugleich in sein politisches Konzept zu passen schien: Tambs bezichtigte die kolumbianischen Guerilla-Bewegungen narco-guerrillas zu sein. Rauschgift heißt auf spanisch narcotico, Rauschgifthändler narcotraficantes - das Präfix narco begann seine linguistische Laufbahn. Lewis Tambs wollte von einer Allianz der Drogenmafia mit der Guerilla erfahren haben. Er hatte gehört, daß die Guerilla Kleinbauern beschützte, die Coca anbauten. Das labile Bündnis zerbrach schon bald, die fixe Idee der narco -guerilla schwirrt jedoch noch heute durch die Weltpresse.

Daran änderte auch die Tatsache nichts, daß der Botschafter selbst bald Opfer seiner eigenen Erfindung wurde. Schließlich war Lewis Tambs in Costa Rica in höchst unschöner Weise in den Iran-Contra-Skandal verwickelt: Er tauschte US-Waffen gegen Kokain. Der ehemalige Vizekönig stieg zum narco embajador ab, zum Narco -Botschafter.

Ideen aber überdauern das Schicksal der Menschen, und so ist das Präfix narco in Kolumbien zu einer stehenden Formel geworden, um den Einfluß der Kokain-Barone zu verdeutlichen. Schließlich gibt es das narco-sicariato, das Killertum der Mafia, mit dem die Kokain-Barone ihre Geschäfte verteidigen. Schlimmer noch dann auf der politischen Ebene: die narco-paramilitares, also die rechtsradikalen Todesschwadrone der Mafia im „schmutzigen Krieg“ gegen die linke Opposition. Ein narcotraficante aber kommt selten allein: Er braucht Unterstützung, die er sich unter den narco-policia und den narco-militares holt. Gut, daß zur Zeit nicht von einem narco-gobierno, einer Regierung der Drogenmafia, die Rede sein kann.

Dafür gibt es aber ein politisches Projekt des fanatischen Antikommunismus, den narco-fascismo. Nicht zu vergessen auch der wirtschaftliche Aspekt: die narco-dolares, die zurück nach Kolumbien fließen, oder die Unternehmen der Mafiosi, die narco-empresas. Wahrlich ist Kolumbien vom narco-terrorismo geplagt - Rufe nach einem narco -dialogo werden nicht zu Unrecht laut.

Die Kolumbianer sind stolz auf ihr kolumbianisches Spanisch, korrekt ausgesprochen und grammatikalisch einwandfrei wie sonst nirgendwo. Das Präfix narco allerdings hört sich gar nicht gut an. US-Botschafter haben scheinbar kein Gehör für sprachliche Finessen. Wahrscheinlich genausowenig wie Millionen von narco -gringos, die das Phänomen ja erst herbeigeschnupft haben.

Ciro Krauthausen