Öffentliche Hände: freigiebig und knickerig

■ Leserbrief zum Bremer Musikfest

Hilmar Hoffmann, zur Zeit Kulturdezernent in Frankfurt am Main, hat ein Buch mit dem Optimistischen und zugleich provokativen Titel „Kultur für alle“ geschrieben. In diesem Buch werden Mißstände in der Kulturarbeit hierzulande mit aller Deutlichkeit beschrieben. Der Autor bleibt dabei nicht im allgemeinen, kritischen gejammere stecken, sondern gibt Impulse sowohl an „Kulturarbeiter“ als auch an interessierte Leser weiter. das Buch ist spannend und verständlich geschrieben. Der Bremer Senatsdirektor Reinhard Hoffmann, zur Zeit 1. Vorsitzender des Bremer Musikfestes e.V., hätte das Buch vor der Planung des Musikfestes noch einmal lesen sollen. (Ich gehe davon aus, daß das Buch in seinem Bücherschrank steht.)

Ihm und dem künstlerischen Leiter des Musikfestes Thomas Albert wäre dann vieleicht noch gerade rechtzeitig ein Licht aufgegangen, und aus dem Musikspektakel wäre ein respektables Bremer Kulturereignis für alle geworden.

Ich zitiere: „Mammutschauen entwickeln sich zu Dinosauriern: Sie bekommen immer größere Leiber und immer winzigere Köpfe. ...Die effekthaschenden und zahlensicheren Kunstolympiaden sind meist Teamwork von Tobsüchtigen Kulturfunktionären,.... Sie sind meist eine trübe Melange aus Städte-Wettbewerb -Sensation, Voyeurismus und Selbsthinweis; die notwendigen Millionen rücken die Stadtparlamente ohne weiteres Federlesen heraus.....bei der Förderung der alternativen Szene wird mit jeder müden Mark geknausert. So ambivalent verhalten sich öffentliche Hände: freigiebig und knieckerig zur gleichen Zeit“ (S.24)

„Jeder Bürger muß grundsätzlich in die Lage versetzt werden, Angebote in allen Sparten und mit allen Spezialisierungsgraden wahrzunehmen... und eine finanziellen Beteiligung, die so bemessen sein muß, daß keine einkommenspezifischeen Schranken aufgerichtet werden“ (S.29). „Kunst und Kultur sind entscheidende Faktoren der Persönlichkeitsbildung“ (S.303).

Diese Zitate decken mit einem Schlag Mißstände in Bremer Kulturarbeit auf: 1. Das Bremer Musikfest ist konzipiert als „Mammutschau“.

2. Das Bremer Musikfest ist „Teamwork von tobsüchtigen Kulturfunktionären“. Planung und Zusammenarbeit mit Bremer KünstlerInnen fielen unter den Tisch, weil nur „Einer“ (Albert) ein Konzept vorweisen konnte, das zur Selbstdarstellung der Kulturbehörde geeignet war.

3. Das Bremer Musikfest wird zur kulturellen „Städte -Wettbewerb-Sensation“.

4. Der Bremer Senat rückt „ohne weiteres Federlesen Millionenbeträge heraus“. Da macht es fast gar nichts, daß noch 1.45 Millionen fehlen. bewirtschaftungskosten in den Schulen sollen eingespart werden. So tragen dann ungewollt alle Schüler Bremens zum Gelingen des Musikfestspektakels bei, indem sie frieren, wenn es einen harten winter gibt, während wohlsituierte Bürger Bremens das große Fest genießen, natürlich bei angemessener Wärme, falls es draußen kalt sein sollte.

5. Gespart wird auch in der kulturellen Ausbildung. Zwei Beispiele: Qualifizierte Instrumentallehrer bekommen im Musikstudiengang an der Universität 28,- DM brutto. Kontinuierliche Arbeitsmöglichkeiten sind wegen der schlechten Bezahlung gefährdet. Überqualifizierte Lehrkräfte wie die Komponisten Jens-Peter Ostendorf und Erwin Koch -Raphael werden der Stadt Bremen den Rücken kehren, wenn die Kulturbehörde sie nicht endlich durch eine angemessene Professur an der Stadt bindet.

7. Fächer zur Ausbildung von Wahrnehmungsfähigkeit und Persönlichkeitsbildung führen ein Schattendasein an den Schulen. Musik- und Kunstlehrer werden nicht eingestellt, weil an der lebenswichtigen „Persönlichkeitsentwicklung“ gespaart wird.

8. Das Musikfest ist geplant mit viel Geld für Besucher mit viel Geld. Eintrittspreise von 20-30 DM ohne Ermäßigung zeigen, daß „Kultur für alle“ in Bremen nicht gefragt ist.

Mir kann keiner der Herren in der Kulturbörse mehr weismachen, daß Geld knapp ist. Geld ist immer dann da, wenn es um die Selbstdarstelllung von KulturpolizikerInnen geht. Das Bremer Musikfest ist ein gutes Beispiel dafür.

Ich habe mich entschieden, keine der Veranstaltungen des Musikfestes zu besuchen, sondern die Initiative von einzelnen Kulturschaffenden zu unterstützen, die aus Protest ein eigenes Programm erstellt haben. Elisabeth Haa

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