Viele kleine Bühnen

■ Alain Resnais‘ neuer Film: „I want to go home“

„Ich will nach Hause. Weißt Du, was wir machen, wenn wir in Paris landen? Wir steigen ins nächste Flugzeug zurück nach Cleveland.“ Der in die Jahre gekommene Comic-Zeichner Joey Wellman (Adolph Green) ist keiner, der guter Hoffnung ist. Eigentlich hat er eine Heidenangst vor allem, was ihm passieren wird: Vor der Comic-Ausstellung, vor der französischen Sprache, von der er nicht eine Silbe spricht, vor den Menschen in Paris und ganz besonders vor seiner Tochter Elsie (Linda Lavin). Sie hatte sich im Zorn von ihm getrennt und studiert seit zwei Jahren Flaubert an der Sorbonne.

Alain Resnais‘ neues Kinowerk I want to go home ist nicht in erster Linie ein Film der Bilder, sondern der Worte. Er ist theatral, künstlich und verspielt. Vorurteile, Mißverständnisse, Melancholie und Hoffnung bestimmen das Handeln der Menschen, nichts ist, wie es sein könnte.

Joey, der Phantast mit der

Mauer von dritten Zähnen im Gesicht, will nur weg. Doch niemand läßt ihn. Seine Freundin Lena nicht, die ihn mit seiner Tochter zusammenführen will, und auch nicht der Literaturprofessor Gauthier (Gerard Depardieu), ein Klotz von Kerl und hektisch bis zum Exzess. Nicht einmal seine eigenen Comic-Figuren gönnen dem gebeutelten Mann etwas Ruhe. Ständig tauchen sie mit einem Knall auf der Leinwand auf und melden sich in einer Sprechblase mit frechen Kommentaren zu Wort. Joey stänkert zurück, was das Zeug hält. Und sogar das Telephonkartensystem mag er nicht begreifen.

Wenn die Welt eine große Bühne ist, dann hat Resnais sie aufgeteilt in viele kleine. Er läßt seine DarstellerInnen agieren wie im Theater, artifiziell und mit einem ausgeprägten Hang zur Vielrederei. Wie in einem bebilderten Hörspiel wechseln sie das jeweilige Podium, bis sie, dem Höhepunkt entgegenstrebend, im

Schloß von Gauthiers Mutter einem Maskenball erliegen. Absurd maskiert reden sie aneinander vorbei. Tochter und Vater finden nicht zueinander, Freund und Freundin entfernen sich, Elsie wird von ihrem Professor enttäuscht, es ist zum Heulen.

Daß es doch noch zum versöhnlichen Schulterschluß der Protagonisten kommt, verdanken wir den märchenhaften Träumen von Jules Feiffer, selbst Comic-Zeichner, der das Drehbuch schrieb. Den verzweilfelten Bemühungen Joeys, sich der französischen Bevölkerung singend verständlich zu machen, folgt die allumfassende Läuterung. Es ist zu schön, um wahr zu sein. Gönnen wir es ihnen, so geht es zu im Kino. Trotz der manchmal recht verwirrenden Synchronisation in deutsch -französisch-englisch ist die heiter-melancholische Heimkehr zum eigenen Ich und zum Kern der Anderen einen Kinoabend wert. J.F.Sebastia

Gondel, tägl. 18 und 20.30 Uhr