„Körperverletzung“ mit Mayo

■ Das Symposium „Sport-Ernährung-Gesundheit“ warnt seit gestern vor Fast-Food

Walter Wallmanns Ausflug in die Hansestadt Bremen wird ihn für eine kurze Zeitspanne aus den tristen Niederungen des Ministerpräsidentendaseins in ganz andere Sphären entführen. Der Kohl-Getreue ist vor dem CDU-Bundesparteitag in seiner Funktion als Präsident des Deutschen Turner-Bundes Mit -Gastgeber des dreitägigen Syposiums „Sport-Ernährung -Gesundheit“, das gestern im Sportturm der Universität begonnen hat.

Vor 200 Teilnehmern eröffnete der Bremer Hochschullehrer Hans-Jürgen Schulke den Kongreß. Nie zuvor war es gelungen, drei bundesdeutsche Spitzensportverbände zu einer solchen gemeinsamen Veranstaltung zu bewegen. Und auch die Behandlung des thematischen Zusammenhanges von Ernährung und Sporttreiben hat in Bremen Premiere. Der Deutsche Turner -Bund, der Tennis-Bund und der Leichathletik-Verband, die gemeinsam über sieben Millionen Mitglieder repräsentieren, hoffen, einen Einstieg in umfassendere Gesundheits-Vorsorge zu

schaffen.

Nach dem gesundheitsförderlichen Sporttreiben die Curry -Wurst mit Pommes und Mayo, das ist durchaus keine Seltenheit. Was in Stadiongaststätten oder Schwimmbad -Kiosken für Leib und Magen angeboten wird, fällt oft in den Bereich „vorsätzlicher Körperverletzung“. Aberglaube ersetzt noch allzuoft den Ernährungsberater, wenn SpitzensportlerInnen an die Zusammenstellung ihrer täglichen Kost gehen. Werder-Manager Willi Lemke kann ein Lied von den Ess-Ritualen seiner Bundesliga-Kicker singen. Die Kalorienbomben, die die Spieler beim traditionellen Mittagessen vor dem Bundesliga-Spiel ordern, haben mit leistungssteigernder „Depotauffüllung“ wenig zu tun. „Wenn ich meine mousse au chocolat nicht krieg'“, hat Lemke von einem seiner Ballartisten zu hören bekommen, „spiel‘ ich nicht.“ Daß die zumeist ohne Sahne und Schokolade, dafür mit viel Stärkepulver, Farb-und Aromastoffen produziert sind, hinterläßt keinen Eindruck.

Die Gesundheitsförderung durch den Sport wird ein großes sozialpolitisches Thema der 90er Jahre werden“, umschrieb Hans-Jürgen Schulke die Bedeutung der Pionierleistung, die vor allem von der Gruppe GeSpuEr (Gesundheit, Sport und Ernährung) an der Uni Bremen auf die Beine gestellt wurde. Der Sport, bei der Auswahl seiner Sponsor-Partner sicher nicht von ernährungs-physiologischen Prinzipien geleitet, will mit dem Symposium Flagge vor allem im Breiten-und Freizeitsportbereich zeigen. Aufklärung heißt das in erster Linie, um alltägliches Eß-und Trinkverhalten zu ändern. Manch liebgewordene Gewohnheit, die unter „sportgerechter Ernährung“ firmiert, müßte aufgegeben werden, ginge es nach dem Wunsch der Veranstalter. So gelten isotonische Getränke seit geraumer Zeit als probate „Sportler-Drinks“. Ihnen aber fehlen wichtige Spurenelemente wie Zink, Kupfer oder Selen, die die durch Schwitzen entstandenen Wasser-und Mineralienverluste einfach und natürlich ersetzen.

Daß eine vollwertige Kost nicht nur gesund ist, sondern auch vielfältig, geschmackvoll und anregend sein kann, hören die angereisten TeilnehmerInnen nicht nur aus dem Munde honoriger WissenschaftlerInnen. Alle Sinne sind gefordert, wenn mit musikalischer Begleitung oder den themengerecht inszenierten „Bremer Stadtmusikanten“ das Symposium bei Laune gehalten wird. Auch die Gaumenfreuden kommen selbstverständlich nicht zu kurz: der angekündigte Menueplan des Sportkostbuffets verspricht vollwertige Verführung (und das nicht nur mit Müsli und Körnern).

Walter Wallmann ist zu wünschen, daß er sich an Blumenkohlsalat mit Bananen-Joghurt-Dressing, Rotkohlsalat mit Trauben und Nüssen, der Hirsepfanne mit Gemüse oder den Grünen Nudeln mit Porree-Käse-Sauce gütlich tut. Denn mit Beginn des Parteitages am Sonntag ereilt ihn (Gottschalk Dank) die lutschbare Eßkultur eines amerikanischen Hamburger -Konzerns.

Andreas Hoetzel