Bausenator Nagel schreit nach Flächen

■ Alle Senatsverwaltungen und Bezirke sollen dem Bausenator Grundstücke geben Vor allem große Flächen sind gefragt / Flächennutzungsplan müßte geändert werden

Bausenator Nagel streckt gierig seine Hände nach freien Flächen aus. Mit den im heißumkämpften Flächennutzungsplan (FNP) für Wohnungsbau ausgewiesenen Gebieten gibt er sich nicht mehr zufrieden. Von allen Senatsverwaltungen und den Bezirken fordert er, ihm sofort für den Wohnungsbau Grundstücke zur Verfügung zu stellen. Sonst könne er weder die geplanten 28.000 noch die von ihm gewünschten 35.000 Wohnungen bauen. Dies geht aus einem internen Papier hervor, das in der Senatssitzung am 12.9. außerhalb der Tagesordnung besprochen werden soll.

Unzufrieden ist der Bausenator vor allem damit, daß er in der laufenden Legislaturperiode „nur ein einziges größeres Vorhaben“ angehen kann. Gemeint ist der Moabiter Werder, wo 1.200 Wohnungen entstehen sollen. Nach der Maxime „Nicht kleckern, sondern klotzen“ sucht er jetzt nach zusätzlichen Grundstücken die im Flächennutzungsplan nicht für die Wohnbebauung ausgewiesen sind. Seine Forderungen: Der Wirtschaftssenator soll seine Vorräte, die er für Gewerbeansiedlung hortet, für Wohnungsbau zur Verfügung stellen. Land will er auch vom Innensenator haben. Polizei und Technisches Hilfswerk sollten näher zusammenrücken und dem Wohnungsbau Platz machen. Senator Wagner, zuständig für Arbeit und Betriebe, soll bei den städtischen Betrieben was abknapsen und die Senatskanzlei mit den Alliierten über deren Vorratsflächen verhandeln. Außerdem - so die kühnste Vorstellung - will der Bausenator Flächen von der DDR kaufen.

Möglichst groß sollen die Flächen sein und möglichst schnell bebaubar. Doch große Flächen gibt es nicht mehr in der Stadt, wenn man nicht auf die grüne Wiese will. Und das, so hört man aus der Bauverwaltung, sei nicht die Absicht. Schließlich will man den „ökologischen Stadtumbau“ verwirklichen. Doch wohin dann? Dazu schweigt sich die Bauverwaltung aus. „Wir kennen die Stadt nicht so genau“, meinte gestern Planungsreferent Fuderholz. Es sei Aufgabe der Verwaltung für Stadtentwicklung.

Doch auf einem Großteil der im Flächennutzungsplan vorgesehenen Flächen für Wohnungsbau züchten heute die Kleingärtner ihr ungenießbares Gemüse. Die einzige größere Fläche, die planerisch noch zu haben ist, ist die „Grüntangente“, die die BuGa 85 in Britz mit der BuGa 95 in Moabit verbinden soll. Immerhin 125 Hektar Land sind das, da ließe sich Klotzen. Platz ist auch noch auf dem Potsdamer Platz und dem sogenannten „Südgelände“. Doch das ist alles Eigentum der Reichsbahn.

Im Hause Schreyer hält man die Wünsche des Bausenators für „Illusion“. Schnell könne man sowieso nicht bauen, meinte gestern Staatssekretär Groth, die von Nagel gewünschte Großlösung sei nur scheinbar leichter zu realisieren. Groth: „Zuerst müssen alle anderen Reserven erschlossen werden.“

Daß aber die bisher verfügbaren Flächen nicht ausreichen, steht fest. Planer der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung haben errechnet, daß in den nächsten vier Jahren nur maximal 22.510 Wohnungen gebaut werden können. Nach des Bausenators Schätzungen steht dem aber ein Bedarf von 52.000 gegenüber. Und das ist seine günstigste Prognose. Für den Fall, daß man alle Menschen kommen ließe, die dies wollen, zieht Nagel düstere Bilanz. Bis 1993 hätte Berlin 82.000 Wohnungen zuwenig.

bf